Potsdam-Mittelmark: Bücher statt Militär
Erste deutsche Bücherstadt in Wünsdorf feiert fünfjähriges Bestehen
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Erste deutsche Bücherstadt in Wünsdorf feiert fünfjähriges Bestehen Den Besuchern der ersten deutschen Bücherstadt in Wünsdorf-Waldstadt fallen bei der Anreise zunächst die verfallenen Kasernen ins Auge. Das ehrgeizige Konversionsvorhaben auf dem riesigen Militärareal ist längst ins Stocken geraten - die Schlaglöcher auf den Straßen stammen noch aus vergangenen Zeiten, ehemalige Militärgebäude sind zu Ruinen zerfallen und bilden einen bizarren Kontrast zu den bereits sanierten Häusern. Aus der blühenden Modellstadt ist neun Jahre nach dem Abzug der russischen Truppen noch immer nichts geworden. Auch das Projekt Bücherstadt hat schwierige Phasen hinter sich, mit denen bei der Gründung vor fünf Jahren niemand gerechnet hatte. Nach der Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft und deren Tochter, der Entwicklungsgesellschaft Wünsdorf-Zehrensdorf, war der Geldsegen ausgeblieben. Die Bücherstadt geriet in eine gefährliche Schieflage und stand Ende vergangenen Jahress ogar ganz vor dem Aus. Inzwischen gehe es jedoch wieder bergauf, der Schuldenberg sei abgebaut und die Bücherstadt wieder in trockenen Tüchern, sagt der Geschäftsführer der Bücherstadt-Tourismus GmbH, Werner Borchert. Zur Gründung 1998 standen die Interessenten noch Schlange. Sie wollten nach dem Vorbild anderer Bücherstädte in Europa Antiquariate in Wünsdorf errichten. Die ersten ehemaligen Pferdestelle waren bald voller Bücher, doch das Konzept ging nicht auf. Nach der Anfangseuphorie blieben die zahlungskräftigen Besucher aus. Werner Borchert gibt unter anderem den Antiquaren selbst die Schuld, die sich auf ihre Hauptgeschäftsstellen in Berlin konzentrierten und Wünsdorf nebenher mitlaufen lassen wollten. Sie seien allerdings auf Versprechungen hereingefallen, die später nie erfüllt wurden, räumt er ein. Von den arbeitslosen Bibliothekaren, die die Bestände pflegen sollten, sei nie einer eingestellt worden. Von den einst bis zu 20 Antiquariaten sind inzwischen nur noch 7 übrig, die allerdings relativ gut aufgestellt sind. Die Verkaufsfläche und die Zahl der Bücher sei über die Jahre hinweg konstant geblieben oder sogar gestiegen, betont Borchert. Schätzungsweise 300 000 Bände werden in Wünsdorf angeboten. Die Palette reicht von Belletristik über Kultur bis zu Technik und natürlich auch Militär. Inzwischen ist die Bücherstadt wieder leicht in den schwarzen Zahlen. Von der Konversion über die Konfusion zur Konsolidierung, so beschreibt es Borchert. Das Ensemble aus Büchern, Bunkern, Museen und Restaurants habe bewiesen, dass es ohne fremde Hilfe am Markt zu halten ist. Das umfangreiche kulturelle Angebot habe das Interesse an der Bücherstadt steigen lassen. Es gebe auch wieder Interessenten für neue Antiquariate. Ein besonderer Magnet seien die Führungen durch die riesigen Bunkersysteme, die über eine Fläche von 30 Hektar verteilt sind. 14 200 Besucher wurden von Januar bis August in der Bücherstadt gezählt, bis Ende des Jahres sollen es 20 000 sein. Damit kann sich das Projekt selbst tragen, allerdings ist nicht genug Geld für die vielen Pläne übrig, die derzeit noch in den Schubladen schmoren müssen. Dennoch, geborgt wird nicht, betont Borchert. Schließlich war es schwierig genug, den alten Schuldenberg loszuwerden. Ein frei begehbarer Bunkerpark mit vielen Extras und auch Antiquariaten, ein Lesehotel, ein russisches Kulturzentrum - das alles sei noch Zukunftsmusik. Im Augenblick hofft Borchert darauf, dass die Bücherstadt das Bunkergelände erst einmal übertragen bekommt. Die Verhandlungen mit dem Land stünden kurz vor dem Abschluss. Der Bunkerpark sei existenziell für die Bücherstadt, betont Borchert. Für die Nutzung gebe es bereits mehrere Interessenten. Zudem mache das Nebeneinander von Literatur und ehemaligen Militäranlagen die Bücherstadt zu etwas ganz Besonderem. Am Wochenende um den 12. September, dem 5. Geburtstag der Bücherstadt, wird allerdings erst einmal gefeiert. Zu den Ehrengästen zählt Richard Booth, der Gründer der allerersten Bücherstadt in Wales. Er wird in Wünsdorf seinen 65. Geburtstag feiern - und sicherlich in seiner eigenen Filiale vorbeischauen. Booth sei dem märkischen Projekt besonders zugetan. Er habe sogar einmal vorgeschlagen, Wünsdorf zur Hauptstadt aller Bücherstädte in Europa zu machen, verrätBorchert mit einem Augenzwinkern. Sandra Schipp
Sandra Schipp
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