Potsdam-Mittelmark: Chicago am Schwielowsee
Unauffällige Profis: Die Geldfälscherbande am Schmerberger Weg sorgt für Gesprächsstoff in Caputh
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Unauffällige Profis: Die Geldfälscherbande am Schmerberger Weg sorgt für Gesprächsstoff in Caputh Von Henry Klix Schwielowsee · Caputh - Macht Caputh der Stadt Werder jetzt den Titel als „Blütenstadt“ streitig? Vielleicht braucht es das gar nicht, meint ein alter Caputher. Es gibt nämlich längst einen passenden Namen. „Fontane hat Caputh mal ,Chicago des Schwielowsees’ genannt“, erinnert sich der im Rollstuhl sitzende Mann. „Jetzt sind wir das wieder“, meint er augenzwinkernd, auch wenn das Klischee nicht ganz stimmt (siehe Kasten). Er braucht bloß auf die andere Straßenseite zu zeigen, und jeder im Ort weiß seit gestern, was er meint: Auf dem Gelände, das früher durch die GPG Gewächshauswirtschaft genutzt wurde, hat die Polizei vergangene Woche eine komplette Geldfälscher-Werkstatt ausgehoben – in Deutschland erstmals seit der Einführung des Euros vor drei Jahren. (PNN berichteten). Am Montag wurde der Ermittlungserfolg den Medien präsentiert. So unauffällig, wie sich die Kriminellen auf dem Gelände bewegten, so professionell, wie die Blütendruckerei angelegt war, erfolgte auch der Polizeieinsatz am Donnerstag. Selbst Ortsbürgermeister Holger Teichmann, der schräg gegenüber wohnt, seine Arzt-Praxis hat und von der Küche fast auf die Fälscherbaracke blickt, hat kaum etwas bemerkt: „Da waren gegen 6.45 Uhr ein paar Taschenlampen zu sehen. Und als die Praxishilfe eine viertel Stunde später zur Arbeit kam, wurde sie auf dem Weg von der Polizei durchsucht.“ Zu dem Zeitpunkt ging in Caputh das Gerücht, dass in der Baracke neben dem Heizhaus Cannabis angebaut wurde. Die Polizei soll das Gelände schon Tage zuvor observiert haben. Der Hinweis auf die Anpflanzung war von einem Caputher gekommen, die benachbarte Fälscherwerkstatt war für die Polizei eine Überraschung. Neben dem illegal in Deutschland lebenden Weißrussen Uladzilan L. (32) wurde hier auch der Deutsch-Iraner Hassan Y. (32) im Schlaf überrascht. Hassan Y. hatte am Ort des Geschehens ein Gewerbe gemeldet: ein Bootswinterlager. Eine Gewächshaushalle diente als Unterstellplatz. Gestern rief ein Journalist der Stuttgarter Zeitung deshalb aufgeregt beim Landeskriminalamt an. Nein, keine Recherche – er wollte wissen, ob er sein Boot zurückbekommt? Die Baracke neben dem Heizhaus mag als Büro durchgegangen sein. Aus dem Dach ragt ein neuer Schornstein, die Fenster sind mit Papier verhangen, ein schwarzer, getunter VW und ein alter Wohnwagen stehen vor dem Haus. In einem der Räume befand sich die vollautomatische Cannabisplantage: Tag- und Nacht-Beleuchtung und Berieselungsanlage nötigten selbst der Polizei Respekt ab. Und dann noch der mittlere Raum – die Fälscherwerkstatt. Mit den hier befindlichen Maschinen und Geräten konnten selbst das Wasserzeichen, die Metallstreifen und die profilierte Mikroschrift kopiert werden. Der dritte Raum war mit einigen Fitnessgeräten der Freizeit vorbehalten. Der Deutsch-Iraner war Untermieter, Hauptmieter war der aus der Waldstadt stammende Potsdamer Jens H. (34), dem Verbindungen zum Potsdamer Milieu nachgesagt werden. Gegen ihn wird ebenfalls ermittelt. Jens H. betreibt auf dem Gelände eine Groß-Pflanzen-Vermietung und nutzt dafür ebenfalls ein altes Gewächshaus. Gastronomen aus Potsdam und Berlin greifen auf seinen Service zurück. Mit einer Palme an der Gemünde-Fähre wirbt Jens H. im Sommer für sein Geschäft. „Dann werden wir wohl unsere Kieshaufen nochmal umgraben, ob wir darunter noch was finden“, witzelt eine Mitarbeiterin der Caputher Firma Kablitz, die für den Winterdienst auf dem Gewächshausgelände Nachbarflächen von Jens H. angemietet hat. Weder bei ihr noch bei der benachbarten Bier-Bar sind die mutmaßlichen Täter jemals auffällig geworden. Im Gegenteil: Als pflichtbewusste Staatsbürger haben sie die Straße gefegt und den Bürgersteig von Wildwuchs befreit. Als es mal Ärger gab, weil Müll auf dem Gelände verbrannt wurde, konnte das Ordnungsamt in einem kurzen Gespräch sofort alles begradigen, heißt es. Im Edeka-Markt rutschte der Daumen der Kassiererin gestern ein paar mal öfter über die 50-Euro-Noten als sonst. Den extra langen Daumennagel hat sie schon immer. Und nein, auf die Falschgeld-Leuchte an der Kasse vertraut sie nicht recht. „Neben der großen Zahl muss es schwupseln“, erklärte die Frau den Kunden. Ob es auf den gut profilierten Blüten auch geschwupselt hätte? Dass die Fälscher auch nur auf den Gedanken gekommen sein könnten, ihre Banknoten hier loszuwerden, wird im Geschäft mit einem Kopfschütteln quittiert. „So blöd werden die wohl nicht gewesen sein“, heißt es. Und der Geschäftsinhaber fügt noch hinzu: „Ungedeckte EC-Karten bereiten uns viel größere Sorgen.“ Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) kann dem Kriminalfall auch Konstruktives abgewinnen: „Vielleicht bewegt sich jetzt endlich was auf den Gewächshausbrachen.“ Das ungeordnete Gelände mitten in Caputh würde sich für das kriminelle Milieu geradezu anbieten. Seit Jahren bestehe ein Rahmenplan für die Flächen, die sich von der Friedrich-EbertStraße aus am Schmerberger Weg hinauf auf 4 Hektar ausdehnen. Zahlreiche Interessenten wollen hier Einfamilienhäuser bauen, auch Mehrgeschosser und Handel sind Optionen für das Gebiet. Doch die Treuhand-Nachfolgerin BVVG hat Preisvorstellungen, die niemand hier nachvollziehen kann: 40 Euro pro Quadratmeter will sie für die unerschlossenen und teils sogar kontaminierten Flächen haben. Das, so wurde gestern gewitzelt, ließe sich bestenfalls mit Falschgeld bezahlen.
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