
© kau
Von Ute Kaupke: „Dann gehen Sie doch hin“
Nuthetals Bürgermeister Ling war 20 Jahre im Amt – vor dem Ruhestand zieht er politische Bilanz
Stand:
Nuthetal - Seit 20 Jahren ist er Bürgermeister. Nach der Wahl am Sonntag wird Gerhard Ling seinen Abschied vom Rathaus Nuthetal nehmen – Zeit für seine politische Bilanz. Zur Kommunalpolitik war er einst wie die Jungfrau zum Kinde gekommen: Ling war im Geräte- und Reglerwerk Teltow tätig, hatte gerade seinen Meister als BMSR-Techniker gemacht. Da wurde er 1981 gefragt, ob er nicht in der SED aktiv werden möchte? Solchen Avancen konnte man in der DDR schwer ausweichen, Ling wählte einen der Wege: Er trat in die Blockpartei CDU ein.
Als Mitglied im Gemeindekirchenrat gab es bereits Kontakte. Er nahm die Parteiarbeit ernst, ärgerte sich über Missstände und forderte CDU-Gemeindevertreter Fleischmann auf, nicht alles hinzunehmen. „Dann gehen Sie doch hin“, habe der geantwortet. Ling machte sich seit Mitte der 80er Jahre im Gemeinderat einen Namen.
Als Chef der Wohnungskommission hatte er den knappen Wohnraum zu verteilen: Er schuf die „Tribunale“ ab, vor denen sich Wohnungssuchende zu rechtfertigen hatten, machte sich vor Ort ein Bild. Kurz vor der Wende, als die Ausreisewelle auch Bergholz-Rehbrücke erreichte, kämpfte Ling dafür, dass leer gezogene Häuser gerecht verteilt werden. Der „Veräußerungszwang“ lief darauf hinaus, dass der Kreis die Häuser zu Spottpreisen an linientreue Genossen verkaufte. Ling schrieb Protokolle und Eingaben bis zum Ministerrat – nicht ganz ohne Erfolg.
1988 sollte im Landschaftsschutzgebiet Springbruch nahe der Wetzlarer Bahn ein Schlachthof gebaut werden – wegen der Bahnanbindung. Über die Hälfte der regionalen Fleischproduktion ging nach Westberlin. Bürgermeister Heinz Riedel hielt den Bau für unabwendbar, der Gemeinderat lehnte ihn ab. Ling wurde in der neuen „Unabhängigen Bürgerinitiative“ (UBI) um Katharina und Götz Doyé aktiv, die gegen den Schlachthof kämpfte. Er wurde nicht gebaut, die Wende hatte auch Bergholz-Rehbrücke erreicht.
Im Dezember ’89 war Riedels Zeit abgelaufen, er stellte die Vertrauensfrage. Ling übernahm das Steuer auf Bitten der UBI – auch, um den bereitstehenden SED-Kader als Bürgermeister zu verhindern. Mit der freien Wahl im Mai 1990 wurde die CDU stärkste Kraft, Ling im Amt bestätigt. Er initiierte die Bildung des Amtes Bergholz-Rehbrücke, wehrte sich gegen Potsdamer Annektions-Versuche. Eine starke Gemeinde habe er gewollt, um nicht zum Spielball zu werden. Mit der Gemeindereform 2003 wurde die Gemeinde Nuthetal gegründet, Ling wurde in der Stichwahl als Bürgermeister bestätigt.
„Ich hatte das Glück, in der richtigen Stunde zur Verfügung gestanden zu haben.“ Parteipolitisch neutral wollte er handeln, stand nie auf dem CDU-Wahlzettel. Rückschläge gab es auch, mit der Gemeindevertretung tat sich Ling bisweilen schwer – und sie mit ihm. So intervenierten Gemeindevertreter, als sich der Bäckergroßhandel Bäko oder die Heilit & Wörner Bau ansiedeln wollten. Wichtige Gewerbesteuerzahler seien verloren gegangen, meint Ling. Auch eine Wohnbebauung an der Eosanderstraße fiel durch – und damit aus Lings Sicht die Chance für mehr Lärmschutz gegen Autobahn und Schiene. Rundum gelungen sei derweil die Gartenstadt Am Rehgraben und habe ein „ortsprägendes Outfit“ gebracht.
Am Punkt einer Entscheidung zu überlegen, welche Bedeutung sie in fünf Jahren hat, sei für ihn eine Lebenseinstellung, sagt Ling. Betroffen machte ihn, als vor drei Jahren die Stasi-Überprüfung der Gemeindevertreter nicht zu Ende geführt wurde. Von drei Gemeindevertretern hätte er den Rücktritt erwartet. Ling hatte nicht an die Wende geglaubt. Als sie kam, wollte er es richtig machen. Nun ist er 65, seine Amtszeit endet am 30. September. Dann wird er sich Enkeln und Familie widmen. Eine „Wiedergutmachung, dass die Familie 20 Jahre zu kurz gekommen ist“.
Ute Kaupke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: