Potsdam-Mittelmark: „Dann sollen se mal die Taschen öffnen“
Trübt ein Discounter das Ortsbild oder bringt er Unabhängigkeit? Michendorfer diskutieren über Netto
Stand:
Michendorf - Ein Supermarkt wird zum Symbol kommunaler Unabhängigkeit: In der Gemeinde Michendorf liefern sich die Bürger zurzeit eine rege Diskussion, ob Netto eine Filiale in Langerwisch, Straße An der Umgehungsbahn, eröffnen sollte. Während die einen durch einen eigenen Discounter an der Grenze zu Wilhelmshorst den Verlust des Erholungscharakters ihrer Ortsteile befürchten, unterstreichen andere den Bedarf nach Einkaufsmöglichkeiten in ihrer Nähe. Sogar eine Online-Umfrage wurde gestartet: Bislang haben sich 64 Leute für und 39 gegen die geplante Ansiedelung ausgesprochen.
Für die Befürworter geht es um mehr als nur kurze Wege, wie im Internet deutlich wird. Man höre immer nur „Michendorf“, echauffiert sich ein Kommentator auf der Seite wilhelmshorst.de und stellt klar: „Wir sind Wilhelmshorst, und dazu gehören nicht nur Bäume, sondern auch Infrastruktur.“ Ein anderer bemerkt: „Ich sehe Michendorf als gleichberechtigte Nachbargemeinde, aber nicht als der Ort, in dem ich wohne.“ Deshalb müsse es einen eigenen Supermarkt geben, „gerade auch für die Mitbürger, die kein Auto mehr haben oder fahren“. Dann notiert jemand: „Ich hoffe, es wird realisiert und nicht alles in Michendorf gebaut. Unsere Apotheke haben sie nun mittlerweile ja auch schon.“
Es gibt bereits sechs Supermärkte in der Gemeinde, allein fünf davon im Ortsteil Michendorf: Neben Netto, Norma und NP im Ortszentrum sind das Edeka und Aldi in der Luckenwalder Straße. Dort will sich demnächst auch noch Lidl ansiedeln. Viele bezweifeln, dass sich so viele Märkte auf so engem Raum halten können. „Ich sehe nicht ein, wieso die Kannibalisierung expansionsaggressiver Billigdiscounter dazu führen soll, dass unser Orstbild noch weiter verschandelt wird“, schreibt zum Beispiel eine Bürgerin auf wilhelmshorst.de. Mit einer neuen Netto-Filiale befürchte sie zudem eine starke Zunahme des Verkehrs. Die vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten würden reichen, viele ältere Bürger würden mit dem Rad nach Alt-Langerwisch zu Nahkauf fahren oder könnten in Wilhelmshorst einfach in den Zug steigen und damit nach Michendorf fahren – wo Netto direkt am Bahnhof liegt.
Es ist ein reger Schlagabtausch, der zurzeit im Internet stattfindet: Die einen sehen mit Netto neue Arbeitsplätze im Entstehen, während die anderen den Wegfall bereits bestehender befürchten. Manche geben sich zynisch („Hauptsache billig Grillfleisch.“), manche polemisch („Nein zum Discounter, Ja zur Waldgemeinde.“) und einer stellt sogar Bedingungen an den Netto-Konzern, der hier Spielplätze und Straßen ausbauen solle: „Netto will doch schließlich hierher, dann sollen se mal die Taschen öffnen!“, so die Forderung.
Unabhängig von der Debatte haben die Michendorfer Gemeindevertreter bereits die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen. Damit wurde einem Markt mit 800 Quadratmetern Ladenfläche eine erste Hürde aus dem Weg geräumt. Vorschläge zur weiteren Gestaltung sollen im Zuge der Planung eingearbeitet werden. Generell ablehnen kann die Gemeinde das Projekt nicht. Das kann nur die Bauaufsicht – oder die Kunden. Thomas Lähns
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: