KulTOUR: Das Äffchen im Tann
Mischwesen ab heute in der Galerie Töplitz
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Werder (Havel) - Alles, was man sich auch nur irgendwie ausdenken kann, ist in spe oder wirklich vorhanden. Schon der Uraltgrieche Parmenides schrieb „Nichtsein ist völlig unmöglich!“ Übersetzt bedeutet das: Alles ist Realität – Traum, Wunsch, Vorstellung. Auch sämtliche Monster und Bestien, die sich je einer ausgedacht hat. Sind sie nicht heute, dann waren sie gestern, sind sie nicht außen, dann eben drinnen im Menschen. Unmöglich also, irgendetwas zu erfinden. Wer ab dem heutigen Samstag in die Inselgalerie Töplitz kommt, wird solchen Wesen und anderen „Unmöglichkeiten“ in Bild und Skulptur begegnen.
Der Verein Havel-Land-Art hat mit Uta Siebert und Jan Thomas zwei Kunstschaffende von geradezu explosiver Ausdruckskraft geladen, die sich im Dschungel von Ikonographie und in den alten Bestiarien auskennen. Keine ganz jungen mehr von der Burg Giebichenstein, dafür waren beide in Zwergen-König Giebichs bester Schule, was das Handwerk als Grund aller Kunst betrifft.
Dort ist das „Naturstudium“ ein Pflichtfach, „im Unterschied zu Berlin“, so Jan Thomas. Beide kennen sich, beide haben seit mehr als zehn Jahren gemeinsam ausgestellt, da ist das eine oder andere Motiv schon mal zum Kollegen hinübergesprungen, das „bat“- also Fledermaus-Thema zum Beispiel. Und so betritt der Besucher eine phantastische Welt voller Ideen und Monströsitäten, die keine Wissenschaft je zu fassen mag, allein die Kunst ist dazu fähig.
Uta Siebert hatte zwar in ihrer Ausbildung auch die Malschule durchlaufen, sich dann aber ganz auf die Bleistiftzeichnung in unterschiedlichen Formaten spezialisiert. Eigentlich fertigt sie Collagen, indem sie einzelne Filmbilder – Vorliebe ist der „Film Noire“ der vierziger und fünfziger Jahre – mit eigenen Ideen zu einer neuen Einheit, der Zeichnung eben, verschmilzt. So setzt sie die Fahrerkabine eines Autos mit Mann und Frau in den Wipfel eines Tanns, und daneben ein Äffchen dazu, lässt eine Frau aus einer Baumwurzel wachsen, spottet den gelangweilten Models auf ähnliche Weise. Wie bei den Surrealisten führt sie Fremdes in Serien wie „Fledertiere“ oder „Safari“ zusammen, setzt auf scharfe Kontraste zwischen dem „Instinktwesen Tier“ und dem Menschen, lässt dem Weiß im Bild viel Raum. Baut neue Welten, also alte. Eigentlich sind diese kalt-charmigen Werke als Ganzheit selbst Chimären. Tolle Bild-Ideen!
Ein bestiarisches Panoptikum ganz anderer Art schlägt der Holzbildhauer Jan Thomas aus einem Stück Pappelholz. Mensch-Tier-Kreaturen mit rauem Äußerem und mindestens einer „artfremden“ Eigenschaft. Man fühlt sich in eine Genetiker-Werkstatt früherer oder kommender Zeiten versetzt, denn auch hier findet man Mischwesen aller erdenklicher Arten, wie sie derzeit Film und Computerspiele bevölkern, nur sind sie in dieser Verkaufsausstellung glaubhaft. Das Tier im Menschen – der Mensch im Tier, wie im christlichen „Physiologus“: ein Mann mit Säbelzahntiger-Kopf, ein Wolfsrachen, aus dem ein Menschengesicht schaut, ein Herr mit Walross-Hauern, fünfhäuptige Pandämone mit sehr beeindruckenden Charakter-Köpfen, andere mit dem zweiten Gesicht am Steiß, oder vorn, am Gemächt.
So müssen Höllengänger das chthonische Gesindel wahrgenommen haben, Dürer, Botticelli und Bosch malten es noch als Böses in Person! Auch der dunkle Schwarm menschenköpfiger Keramik-Bats und die tierische – gleich auch menschliche – Trophäensammlung an den Wänden erinnern eher an Dämonen, und die sind freundlich nicht. Allesamt Schreckgespenster, an die man heute nicht mehr glaubt, die man für „reine Erfindung“ hält. Doch als Reprise: „Nichtsein ist völlig unmöglich!“ Töplitz ist doch das erste Beispiel! Gerold Paul
Vernissage in der Galerie Töplitz heute um 17 Uhr, An der Havel 68, 14542 Werder (Havel). Ausstellung zu sehen bis 24. April, So 14 bis 18 Uhr, Mo bis Fr 16 bis 18 Uhr
Gerold Paul
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