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Potsdam-Mittelmark: Das beste Pferd bleibt im Stall

Warum Eckhard Ast nach 50 Jahren Arbeit bei Schuke Orgelbau heute so schwer zu ersetzen ist

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Warum Eckhard Ast nach 50 Jahren Arbeit bei Schuke Orgelbau heute so schwer zu ersetzen ist Von Guido Berg Werder - Das 50-jährige Firmenjubiläum von Eckhard Ast fällt in eine Zeit, in der Arbeitnehmer mit 50 schon mal zum alten Eisen geworfen werden. Und der Mann arbeitet immer noch – noch dazu auf Bitten seines Arbeitgebers. Eckhard Ast ist 66Jahre alt, da fängt das Leben an, wie es im Lied so schön heißt. Meist ist es das Leben als Rentner. Im Fall von Eckhard Ast muss der Ruhestand aber warten, weil das Arbeitsleben noch nicht zu Ende ist. Weil er noch gebraucht wird. Ein seltsames weil seltenes Gefühl muss es sein, wenn die eigene Stelle keine KW (Kann-wegfallen), sondern eine Kann- nicht-ersetzt-werden-Stelle ist. Was bloß hat der Mann für eine Qualifikation, die ihn so unentbehrlich macht? Eckhard Ast ist gelernter Metallpfeifenbauer, wie heutige Orgelbauer, die das machen, was Ast macht, zu DDR-Zeiten hießen. Ein halbes Jahrhundert, sein gesamtes Berufsleben, verbrachte er bei der 1820 gegründeten Potsdamer Firma Schuke Orgelbau, die seit Februar 2004 ihren Sitz in den Werderaner Havelauen hat. Eine Durststrecke begann, nachdem Matthias Schuke den von seinem Großvater Alexander Schuke 1894 gekauften Orgelbau-Betrieb nach der Wende 1990 wieder übernahm. Die Auftragslage war schlecht, doch niemand wurde entlassen. „Der Chef hat zu uns gestanden. Das habe ich ihm nicht vergessen", sagt Eckhard Ast. Jetzt, wo sich die Auftragsbücher wieder füllen und die Jung–Orgelbauer nicht gerade wie die sprichwörtlichen Orgelpfeifen nachwachsen, jetzt steht Eckhard Ast zu seinem Chef, zu seinem Betrieb. Es gibt viel weiter zu geben an die Lehrlinge. Wie man richtig lötet zum Beispiel. „Man braucht ein Gefühl für das Löten“, sagt der Fachmann, der in vielen Orgeln bis hin zu der im Leipziger Gewandhaus seine Löt-Nähte hinterlassen hat. Orgelpfeifen entstehen aus gegossenen Platten, die zu verschieden stark gehobelten Blechen gefertigt und zu Rohren geformt an den Längsseiten zusammen gelötet werden. Am Anfang ist der Kolben noch sehr heiß. Schnell wird die Naht gezogen. Doch mit dem Abkühlen muss die Hand auch langsamer werden. Eckhard Ast zeigt die Naht an einem Pfeifenfuß, dem spitz zulaufenden unteren Teil einer Orgelpfeife: Makellos, schnurgerade. Nie wurde die Legierung zu heiß, nirgends zeigen sich Anlassfarben, wie sie jeder kennt vom heißen Krümmer eines Moped-Auspuffs. „Sieht maschinell aus, ist aber Handarbeit.“ Eckhard Ast lächelt, aber nur kurz. Der Potsdamer ist ein bescheidener Mann. Es ist ihm spürbar unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen. Über der Eingangstür der Werkstatt am neuen Standort in den Werderaner Havelauen hängt das Schild, das schon am alten Stammsitz in Potsdam von der Mentalität der Orgelbauer zeugte: „Soli Deo Gloria“ steht darauf; „Allein zu Gottes Ehren“. Johann Sebastian Bach schrieb diese drei Worte, oft auch nur die Anfangsbuchstaben „SDG“, über seine Partituren. Ast ist Christ. Wie er sagt, ein „vollwertiges Gemeindemitglied“. Ursprünglich stammt er aus Slubice, aufgewachsen ist er in Alt Mahlisch bei Frankfurt (Oder). Die staatlichen Lehrstellen, die ihm in der noch jungen DDR angeboten wurden, sagten ihm nicht zu. Ein Mitschüler hatte Kontakt zur Kirche, und tatsächlich hätte es beinahe geklappt mit einer Lehrstelle in einer Tischlerei in Dahme (Mark), Handwerkliches liegt ihm sehr. Zu dieser Zeit, als noch Hans-Joachim Schuke, der Vater des heutigen Firmenchefs, die Geschicke des Traditionsunternehmens führte, wurde gerade in der Kirche von Dahme eine Orgel gebaut. Eine Schuke-Orgel. Ast, der die Kirche besichtigte, war von dem Metier des Großinstrumentebaus fasziniert. Er fragte die Monteure, ob er als Lehrling bei ihnen anfangen könne und die brachten von der Wochenend-Heimfahrt gleich die positive Antwort mit. „Die müssen dem Chef erzählt haben, der Ast macht ''nen guten Eindruck“, sagt er heute, 50 Jahre später. Sie haben ihn dann damals gleich, am darauf folgenden Montag, mitgenommen auf Montage, nach Pritzwalk. Orgelbauer kommen zum Aufstellen ihrer Instrumente rum in der Welt – wenn Schukes Mannen der Mauer wegen bis 1989 auch eher in Osteuropa tätig waren. Gegenwärtig bauen sie ein großes Instrument mit 27 Registern in Graz, Österreich. 2005 montieren die märkischen Handwerker – wenn alles gut geht – eine extravagante Riesen-Orgel in der Cathedrale Zamora in Mexiko. Eckhard Ast konnte in seinem Berufsleben allerdings nicht allzu häufig die Koffer packen – „Ich lass doch nicht mein bestes Pferd aus dem Stall“, hat der Werkstattleiter immer gesagt. Das hat man nun davon, wenn man im Orgelpfeifen-Löten unschlagbar ist. Doch ein Mal, in Sofia, war auch Ast mit dabei. Die Anekdote hat er auch kürzlich erzählt, als seine Kollegen ihn an seinem Jubiläumstag mit einem Sektfrühstück überraschten: Die Dolmetscherin hatte auf dem Flughafen noch etwas Privates zu erledigen. Infolgedessen verpasste die Truppe ihr Flugzeug und musste ein paar Stunden warten. Mit „einigen Flaschen Sekt“ versuchte die Bulgarin, ihren Fehler wieder gut zu machen. Am Ende waren die Orgelbauer voll wie die Ritter und konnten in Schönefeld kaum noch dem Flugzeug entsteigen – sehr zur Verwunderung der am Flugplatz wartenden Ehefrauen. Abwechslungsreich sei seine Arbeit gewesen, sagt Ast. Das habe „die Knochen geschont“, was bei monotoner Arbeit kaum gelungen wäre. Oft hat Ast auch schwere Sachen heben müssen. Früher bestanden die Orgelpfeifen noch aus 45er Legierung: 45 Prozent Zinn und 55 Prozent Blei. Und die verwendeten Bleche waren dicker. Heute wird „Englisch-Zinn“ verwendet, erzählt Ast, eine „historische Legierungsart“ mit 96 Prozent und nur noch vier Prozent Blei. Lange haben sie experimentieren müssen, weil ihre Pfeifen einfach nicht so klingen wollten wie die alten Instrumente – bis sie den Dreh rausbekamen: Die Wand-Dicke muss nach oben hin abnehmen. „Das ergibt klangliche Vorteile, die sogar von Laien zu hören sind“, sagt Ast, der selbst nicht Orgel spielen kann, und den das Instrument eher von der technischen Seite her fasziniert. Auf seinen zehnjährigen Enkel hat diese Leidenschaft noch nicht abgefärbt. „Der interessiert sich eher für Fußball.“ Wenn das Fahrrad mal kaputt ist, dann kann Opa mit seiner handwerklichen Geschick dennoch bei ihm punkten. Am Sonnabend, 12. Juni, können die Räume und Werkstätten der „Alexander Schuke Potsdam-Orgelbau GmbH“ (Werder, Otto-Lilienthal-Str. 33) im Rahmen des von den Firmen in den Werderaner Havelauen organisierten „Tages der offen Tür“ zwischen 10 bis 16 Uhr besichtigt werden. Im Internet: www.schuke.de

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