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Potsdam-Mittelmark: Das Bild von heute für die Nachgeborenen

Der Märkische Verlag Wilhelmshorst lud zu einer Fotosafarie in eine Landschaft, die es bald nicht mehr geben wird

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Der Märkische Verlag Wilhelmshorst lud zu einer Fotosafarie in eine Landschaft, die es bald nicht mehr geben wird Von Gerold Paul Michendorf-Wilhelmshorst. In Wilhelmshorst sind die Straßen nahe der Bahn gen Michendorf pikanterweise nach Bäumen wie Eichenweg und Rotdornweg benannt. Die „An der Aue“ endet, wo frisch-geschlagenes Stapelholz, Robinien meist, vollendete Tatsachen signalisieren: Trotz ausstehenden Rechtsurteils des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes (Stichtag 12. Mai) ist der neuen B2 ein Weg bis zu den Gleisen geschlagen. Bürgerbegehren wie das von „Milan“ pufften ins Nichts. In Kürze soll eine 5 Meter tiefe Schneise zur Unterführung folgen. Auch was dahinter ist, wird in Kürze abgeholzt. Fortsetzung folgt. Manche haben ihren Waldteil auf der Südseite des Bahndamms inzwischen verkauft, anderen steht ein Ukas ins Haus. Wo so wenig zu hoffen und zu retten ist, kam Klaus-Peters Anders vom „Märkischen Verlag“ auf eine glänzende Idee. Er lud am Sonntag zu einer Fotosafari, um der Nachwelt wenigstens zu bewahren, was kein Bagger wegnehmen kann, die Erinnerung an ein nicht gerade großes Waldstück mit Eiszeitrinne, Rad- und Pferdeweg nach Michendorf, mit 20 Meter hohen Stieleichen und falschen Akazien, trockenes und gesundes Holz. Auch Rote Waldameisen wohnen hier. Amateur- und Berufsfotografen waren also gerufen, das verlorene Land im Bild festzuhalten. Der Verlag hat dazu einen Wettbewerb ins Leben gerufen, die besten Bilder werden prämiert und vor Ort und in Langerwisch ausgestellt. Ein Kalender für 2005 ist auch schon geplant. Anders will die Exposition sogar in den Potsdamer Landtag befördern, wissend, dass seit Platzecks Zeiten nicht mehr Fachleute über Wald und Wehe bestimmen, sondern fachunkundige Bürokraten. So war es wenigstens unter den Aktivisten mit Bitterkeit zu vernehmen: Der ehemalige Umweltminister hat die Seiten gewechselt. Man fühlt sich verraten. Es kamen etwa 20 der aktivsten, viele mit ihren Hunden, die im frisch geschredderten Holze wühlten, sich balgten, als seien sie in der Freiheit, doch ein jeder hörte aufs Wort. Man parlierte sachkundig den gesunden Baumbestand, schätzte die Höhe des Holzes, suchte Details und lichtete das Panorama gen Langerwisch ab. Auch das kleine Häuflein der Beherzten, keine Traumtänzer, die an Wunder glauben: Leipzig signalisierte bereits, dass es kein Aus für die neue Straße geben wird. Unter den Anwesenden war der Wilhelmshorster Fotograf Rainer Karchniwy, Waldemar Zank als Naturkundler stand zur Bestimmung von Flora und Fauna bereit. Die Sonne schien an diesem Vormittag aus einem klaren Himmel, bestes Licht für die vergänglichen Motive, erst am Nachmittag zog es sich regnerisch zu. Die Bürgerbewegung wurde geschasst, als sie seit Monaten vor einer 70 Meter breiten Schneise warnte, man sprach von Lügen. Heute kann jeder nachmessen, welches Maß der Kahlschlag erreicht hat. Freilich helfen Vernunft-Argumente nicht mehr, es geht um die Interessen des Bundes, und der hatte immer schon Vorfahrt. Man fühlt sich nicht nur ausgetrickst und unverstanden, sondern einfach nicht ernst genommen. Nicht wenige zweifelten, mitten im Walde: Demokratie? Den Umweltschützern scheinen ja nur zwei Gemütslagen zu bleiben, entweder militante Kraft (wo etwas zu machen ist), oder Melancholie und Stille. Die Gruppe unter den 100-jährigen Robinien und 200-jährigen Stieleichen gab sich gemischt, wissend, wie klein ihr Anliegen ist, wenn man an die japanischen Abholzer in Tasmanien denkt, an die russische Taiga, die Wälder Nordamerikas – oder einfach an die neue Ostsee-Autobahn. Keine Chance. Was bleibt, ist nur das Bild von heute für die Nachgeborenen. Sentimental? Der Märkische Verlag hat sich entschlossen, den Wettbewerb bis Ende des Monats offen zu halten. Vielleicht fotografiert bis dahin einer jene rotmarkierte Kiefer nahe der Ameisenburg. Eine Kettensäge hat ihr Holz schon geritzt, aber noch steht sie. Näheres beim Märkischen Verlag Wilhelmshorst, Dr. Klaus-Peter Anders, Tel. (033205) 62211.

Gerold Paul

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