
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Das Gemeinschaftsgefühl eines Ladens
Babynahrung und Filmabend im Sortiment: Das DORV-Geschäft in Seddin etabliert sich
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Seddiner See - Der kleine Laden ist von Stimmengewirr erfüllt: Am Tisch in der Ecke spielen fünf Damen Karten, am vorderen langen Tisch, der ebenfalls voll besetzt ist, macht bei einem Tässchen Cappuccino der neueste Dorfklatsch die Runde. Es ist Senioren-Spielenachmittag im Seddiner DORV-Laden, ein externer Veranstalter mietet dafür jeden Donnerstag von 13 bis 16 Uhr das Café.
Im eigentlichen Laden nebenan ist noch Mittagspause, dennoch ist auch hier einiges in Bewegung. Marktleiter Andreas Ulrich hat die freien anderthalb Stunden genutzt, um Vorstellungsgespräche mit ein paar Bewerbern zu führen. Eine der bisherigen Vollzeitstellen wurde vor Kurzem frei, nun soll sie mit zwei Teilzeitkräften neu besetzt werden. Für die baldige Sommersaison bringt das mehr Flexibilität, zumal alle Mitarbeiter ganz in der Nähe des DORV-Zentrums – die Abkürzung steht für Dienstleistungen und ortsnahe Rundum-Versorgung – wohnen. „Wenn es mal ganz eng ist, können die in zwei Minuten hier sein“, sagt Ulrich. Im Sommer erwarten die Mitarbeiter einen noch größeren Ansturm als zur kalten Jahreszeit: Dann werden nicht nur Senioren im Café sitzen, sondern auch Kinder aus der nahegelegenen Kita zum Eis essen kommen. Die Eltern aus dem Neubaugebiet Am Mühlenberg, das nur wenige Hundert Meter entfernt liegt, sind ohnehin schon regelmäßige Kunden. Ulrich hat dafür gesorgt, dass es für die jungen Familien jetzt auch Babynahrung zu kaufen gibt, außerdem frisches Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch aus der Region.
Der Laden wurde 2014 gegründet, nachdem insgesamt 60 000 Euro an Spenden gesammelt worden waren. Zuvor hatte sich in dem Gebäude ein Rewe-Markt befunden, der aber schon 2006 auszog. Andere Supermarktketten zeigten kein Interesse an dem ihrer Meinung nach unrentablen Standort. Mit Fördermitteln von Gemeinde, Land und EU und mit vereinten Bürgerkräften wurde im Herbst 2014 dann das DORV-Zentrum eröffnet. Anfangs waren die Kundenzahlen des Ladens jedoch trotz des großen Bürgerengagements unter den Erwartungen geblieben.
„Wir haben die harte Anfangsphase erfolgreich gemeistert und haben nun eine Basis, auf der wir das Unternehmen gut weiterführen können“, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Brügmann mit vorsichtigem Optimismus in der Stimme. Daran hat Andreas Ulrich keinen geringen Anteil. Der 40-Jährige ist im vergangenen Jahr mit seiner Familie nach Seddin gezogen und leitet den Laden seit August. Zuvor war er einige Jahre Marktleiter in einer Berliner Kaiser’s-Filiale und bringt somit Erfahrung auf dem Gebiet mit. Für beide Seiten war das Kennenlernen ein glücklicher Zufall: Bei einer Informationsveranstaltung im DORV-Zentrum, die Ulrich kurz nach seinem Umzug besuchte, kam er mit Brügmann ins Gespräch. Der ehrenamtliche Geschäftsführer erkannte sofort das Potenzial, das die fachliche Expertise des erfahrenen Marktleiters für den Laden bot. Eine Win-win-Situation für beide: „Mir war es nur recht, nicht jeden Tag von hier aus nach Berlin pendeln zu müssen“, sagt Ulrich.
Der erfahrene Marktleiter passte als erstes das Produktsortiment an die Kundenbedürfnisse an. „Andreas Ulrich hat viele neue Kontakte zu regionalen Erzeugern für uns hergestellt“, sagt Brügmann. „Und er sorgt dafür, dass wir unser Angebot besser und flexibler auf die Kundschaft abstimmen können.“ Fertiggerichte hat Ulrich zum Beispiel fast komplett aus den Regalen verbannt. „Die Leute kochen hier gern selbst, deshalb kaufen sie lieber Frisches“, sagt er.
Neben dem geänderten Angebot sollen auch zusätzliche Veranstaltungen zukünftig noch mehr Menschen ins DORV-Zentrum locken. Als nächstes steht am 25. Februar um 19 Uhr ein französischer Abend mit Filmvorführung und landestypischen Speisen an. Im März ist ein Konzertabend mit dem Harry Belafonte-Imitator Lusako Karonga im Programm. Zudem sind ein Osterbrunch und Sommerfeste für die ganze Familie geplant, bei denen es auch auf dem Außengelände rund um das Zentrum Hüpfburgen, Essen und Programm geben soll. Veranstaltungen dieser Art bringen neuen Umsatz, Brügmann betont aber, dass sie auch wichtig für das Gemeinschaftsgefühl unter den Dorfbewohnern sind.
Andreas Ulrich hat indes nicht nur die Produktauswahl im Laden modernisiert: Seit Dezember gibt es auch kostenloses W-Lan im gesamten DORV-Zentrum. Beim Senioren-Spielenachmittag scheint das die wenigsten zu interessieren. Für die Jüngeren dürfte es aber ein zusätzliches Argument dafür sein, auch mal etwas länger im gemütlichen Café zu verweilen. Julia Frese
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