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Potsdam-Mittelmark: Das große Krabbeln

Lausige Zeiten im Umland: Laut Gesundheitsamt haben die meisten Schulen und Kitas das ganze Jahr Läuse / 2006 gab es 250 Fälle

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Potsdam · Mittelmark - Direktorin Ingrid Neubert klopft dreimal auf das Holz ihres Lehrertisches: „Vor drei Wochen hatten wir erst einmal den letzten Läusefall – Gott sei dank!“ Das Klopfen wird aber nicht viel helfen, vermutlich wird es einigen ihrer Grundschüler bald wieder auf dem Kopf jucken. Und zwar häufiger als noch vor rund 15 Jahren, glauben Gesundheitsexperten. „Grundschulen und Kitas sind leider häufig durchgängig von Kopfläusen geplagt – mal mit mehr, mal mit weniger Fällen“, sagt Dr. Beate Dietze vom Gesundheitsamt auf PNN-Anfrage.

Neuberts Grundschule in der Glindower Dorfstraße in Werder (Havel) ist da kein Einzelfall. Laut Gesundheitsamt meldeten 2006 die insgesamt rund 190 Grundschulen und Kitas im Landkreis Potsdam-Mittelmark 250 Mal, dass Schüler mit den Parasiten befallen waren. Seit der Wiedervereinigung 1990 haben diese „Läusefälle“ zugenommen, ist Dietze überzeugt. Zwar liegen ihrem Amt keine konkreten Vergleichszahlen vor – im benachbarten Potsdam haben die Amtsmediziner jedoch den selben Eindruck gewonnen. Und auch Direktorin Neubert glaubt, dass es an ihrer Schule häufiger Läuse gibt als früher.

Dietze hat dafür eine Erklärung: Zu DDR-Zeiten haben die Amtsärzte Schulklassen köpfeweise nach Läusen untersucht, sobald der Direktor ihnen einen Fall gemeldet hatte. Doch das geltende Bundesseuchengesetz sehe solche prophylaktischen Kontrollen nicht mehr vor.

Offenbar vermehren sich die Läuse aber auch jenseits der ehemaligen innerdeutschen Grenzen rasant: In der bayrischen Landeshauptstadt München, in der 1,3 Menschen leben, beispielsweise. Dort hat sich die Zahl der gemeldeten Fälle seit 1999 von 245 auf 882 Fälle erhöht. Selbst in der Schweiz meldeten die Tageszeitungen: „Kopfläuse an Schweizer Schulen werden immer häufiger“. Unsere Nachbarn machen übrigens eine „vermehrte Reisetätigkeit und Resistenzen gegen Laus-Shampoos“ dafür verantwortlich.

Laut einer Studie walisischer Forscher leben die Insekten auf dem Kopf jedes zwölften Grundschulkindes. Mädchen sind wegen ihrer meist längeren Haare doppelt so oft betroffen wie Jungen.

Wirklich schlimm sei es aber nicht, Läuse zu haben, beruhigt die mittelmärkische Amtsärztin Dietze: Die Kopfbewohner im Millimeterformat seien zwar unangenehm und lästig, aber ein „Kopflausbefall kann zu keiner Gesundheitsgefährdung führen“. Es juckt lediglich auf der Kopfhaut. Darum findet sie es auch „nicht bedenklich“, dass für die amtlichen Kopfkontrollen an Grundschulen und in Kitas heute das Personal fehlt.

„Ungünstig“ findet sie es allerdings schon. Denn Läuse wieder zu vertreiben, sei ein größeres Problem: „Das hängt wohl damit zusammen, dass Kopfläuse leider immer noch ein Tabuthema sind“, sagt Amtsärztin Dietze. „Kopflausbefall wird fälschlicherweise immer noch mit mangelnder Körperhygiene verbunden.“ Dietze geht daher von einer „hohen Dunkelziffer“ an Läusefällen im Landkreis aus. Darum gehen sie und drei Kolleginnen mindestens einmal pro Jahr in jede Kindereinrichtung des Landkreises, um Eltern und Lehrer über das Thema Kopfläuse aufzuklären.

Grundschulleiterin Neubert weiß noch, dass auch sie als junge Mutter immer „peinlich berührt war“, wenn ihre eigenen Kinder früher Läuse hatten. Dabei wandern Läuse auch aufs frisch gewaschene Haar. „Es kann jede Familie treffen“, sagt sie. In ihrer Schule werde deshalb niemand als „schmutzig abgestempelt“. Wichtig sei ihr nur, dass die Eltern ihre mit Läusen befallenen Kinder daheim behielten und die Klassenlehrer darüber informierten. Die anderen Schüler bekämen dann ein Informationsblatt mit nach Hause geschickt. Die gesamte Familie muss sich der sehr aufwendigen Behandlung mit Antiläuse-Shampoo und speziellem Kamm unterziehen. Danach darf dann auch das betroffene Kind wieder in die Schule gehen.

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