
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Das Kreuz mit der Erinnerung
Nach langer Debatte wird Sonntag in Elsholz ein Denkmal für Gefallene des Zweiten Weltkrieges errichtet
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Beelitz - Am 1. Mai hatten die Soldaten Elsholz erreicht. Zu Tausenden waren sie umhergeirrt, nachdem sie sich wenige Tage zuvor in der Kesselschlacht bei Halbe unter riesigen Verlusten den Weg nach Westen freigekämpft hatten. „Sie kamen in unsere Häuser und wollten etwas zu essen“, notierte die Einwohnerin Erika Zimmermann 1945 in ihr Tagebuch. Das letzte Brot habe man ihnen gegeben und ein paar Würste. Die erschöpften Männer in ihren abgerissenen Uniformen wollten die Bewohner des kleinen Dorfes bei Beelitz mitnehmen, „denn der Russe käme ja doch gleich wieder“.
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges war die Region zwischen Zauche und Hohem Fläming hart umkämpft. Orte wie Elsholz oder Treuenbrietzen wechselten mehrmals die Front, auf beiden Seiten gab es Massaker. Allein im Raum Beelitz gab es 2200 Todesopfer – Deutsche wie Russen, sagt Ortshistoriker Günter Käbelmann. Er und weitere Beelitzer wie der frühere Pfarrer Wolfgang Stamnitz wollen am Sonntag um 17 Uhr ein zwei Meter hohes Holzkreuz auf dem Elsholzer Friedhof aufstellen – neben zwei Grabplatten, auf denen die Namen von 120 deutschen Gefallenen stehen. Es gehe ihnen darum, den Opfern beider Seiten zu gedenken – und um Aussöhnung. Denn auch die Nachfahren russischer Soldaten bräuchten Orte, an denen sie sich ihrer Väter erinnern können. Die Botschaft: „Nie wieder Krieg!“
Noch heute werden Munitionsreste, Stellungen, sogar noch Knochen der Toten in den hiesigen Wäldern gefunden – Zeugnisse dessen, was „Krieg“ bedeutet. Während Ende April 1945 die 9. Armee bei Halbe von der Roten Armee eingeschlossen war, ging die 12. Armee „Wenck“ im Hohen Fläming in Stellung. Die Truppen dieses zusammengewürfelten Verbandes bestanden größtenteils aus Jugendlichen. Sie sollten nach Berlin durchbrechen und die übermächtige Rote Armee zurückschlagen, so die Hoffnung Hitlers. Tatsächlich setzte sich die Wenck-Armee in Bewegung – aber nicht, um Berlin zu „befreien“, sondern um sich zur Elbe abzusetzen. Von der Nazi-Propaganda beeinflusst und im Bewusstsein der eigenen Schuld schien den deutschen Soldaten die amerikanische Gefangenschaft erstrebenswerter als die sowjetische.
Dieses Ziel hatten auch die Truppen, die nach Elsholz kamen – und hier von der Roten Armee überrascht wurden. „Ein wilder Schlachtenlärm begann: russische PAK, Infanteriewaffen, Panzer und vor allem Tiefflieger“, schreibt Erika Zimmermann. Zwei Stunden verkroch sie sich mit ihrer Familie im Keller. Als sie wieder herauskamen, waren viele Gebäude im Dorf zerstört. Vor der Tür stand ein junger ukrainischer Soldat. „Er winkte uns traurig zu und sagte: Alles kaputt!“
Die Gruppe um Günter Käbelmann will an das Leid erinnern, das hier damals entstanden war. Doch Beelitz tut sich offenbar schwer mit diesem Kapitel der Geschichte. Bereits vor zwei Jahren hatte es eine Initiative des Vereins „Pro Ferch“ gegeben, der in Elsholz die Skulptur einer trauernden Mutter aufstellen wollte. Angestoßen hatte die Aktion der Berliner Historiker Christian Gizewski. Er leitet den Verein Pro Ferch, der die Kampfhandlungen in der Region wissenschaftlich aufarbeitet. Im Ortsbeirat stieß das Vorhaben auf große Gegenwehr, auch die Stadt Beelitz lehnte es ab. Man wolle keinen Wallfahrtsort für Neonazis schaffen, hieß es. Auch wurde die politische Distanz der Initiatoren in Zweifel gezogen.
„Wir würden Kriegsverbrecher verherrlichen“, verdeutlicht Wolfgang Stamnitz die Vorwürfe voller Empörung. So etwas habe er sich zuletzt zu DDR-Zeiten anhören müssen. „Wir sind doch die letzten, die den Krieg zumindest als Kinder noch erlebt haben“, sagt seine Frau Barbara. „Wer soll die Erinnerungsarbeit denn leisten, wenn nicht wir?“ Immerhin: Der Ton zwischen der Gruppe und der Stadt scheint sich entspannt zu haben. Am Sonntag will auch Bürgermeister Bernhard Knuth nach Elsholz kommen.
Bei der Gelegenheit kann man dann auch an die pazifistischen Aspekte der letzten Kriegstage in Beelitz erinnern: Wie der Belziger Historiker Matthias Helle recherchiert hat, wurde in den letzten Kriegstagen von einem Schmied die „Antifaschistische Aktion Elsholz“ gegründet. Die Mitglieder forderten mit Flugblättern die Wehrmachts- und SS-Soldaten auf, die Waffen abzulegen und patroullierten mit Armbinde und Gewehr, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.
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