
© Patrick Pleul, dpa
Potsdam-Mittelmark: Das Krokodil im Gartenteich
Wer im Garten Krokodile halten möchte, braucht in Brandenburg nur Sachkunde, Platz und eine Heizung. Ein Züchter in Golzow besitzt gleich 21 Echsen. In anderen Ländern wäre das tabu
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Golzow - Wer Karl-Heinz Voigts Grundstück in der kleinen Gemeinde Golzow (Amt Brück) betritt, taucht ein ins Reich eines Tierliebhabers. Im Garten tollen gut 20 Kaninchen herum, im Gartenteich schwimmen Schildkröten, und im Wintergarten – da hausen drei südamerikanische Brillenkaimane und ein China-Alligator. Entsprechend pulstreibend ist die Tour durch Voigts Räumlichkeiten.
Von der Küche folgt man dem 56-Jährigen in den gut 30 Grad warmen Wintergarten, wo zwischen tropischen Pflanzen überall eines der Krokodile lauern könnte. Obwohl sich die Panzerechsen nicht blicken lassen, atmet man auf, wenn man weiter ins Wohnzimmer tritt. Dort warten zwar weitere acht junge Nachwuchs-Kaimane – die jedoch sind erst knapp 30 Zentimeter groß und zwicken mit ihren kleinen Zähnen höchstens in den Finger.
Bei Karl-Heinz Voigt leben 21 bis zu eineinhalb Meter große Krokodile – im Wintergarten, Wohnzimmer und einem Garten-Terrarium. 1987 ist Voigt auf die Idee gekommen, die Exoten zu halten – „wie andere auf die Katze oder den Hund kommen“. Es sollten besondere und pflegeleichte Tiere sein. Seitdem lebte mit Karlchen ein erster Kaiman in Golzow. Mittlerweile misst er gut anderthalb Meter.
Wo heute Kaninchen durch den Garten hoppeln, schlängelte sich bis vor neun Jahren noch der mittlerweile 40 Jahre alte Kaiman über das Grün. „Mein bester Wachhund“, sagt Voigt. Dann spendierte seine Freundin einen Zaun um den Teich, in dem Karlchen bei gutem Wetter herumwatet – er hatte sie beim Wäscheaufhängen etwas nervös gemacht.
Anderswo in Deutschland wäre eine private Krokodilfarm undenkbar: In Berlin, Hessen und Thüringen ist es Privatpersonen nicht erlaubt, Gefahrentiere zu halten. In Bayern gibt es zumindest strenge Regelungen, in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein muss laut Deutschem Tierschutzbund eine Ausnahme genehmigt werden. Andere Länder haben wenige bis keine Richtlinien.
Marius Tünte vom Tierschutzbund kritisiert: „Die Regelungen auf Länderebene sind nicht nur unübersichtlich, sondern vollkommen verwirrend.“ Voigt sagt: „In Brandenburg können Sie machen, was Sie wollen – fast.“ Frank Plücken vom Landesumweltamt bestätigt das. Eine Verordnung für die Haltung von exotischen Tieren sei in Brandenburg derzeit nicht notwendig, weil es kaum Gefahrentiere gebe.
Die Halter sollten dennoch drei Voraussetzungen erfüllen: Achtung des Artenschutzes, Sachkunde und entsprechende Einrichtungen, damit die Krokodile nicht plötzlich auf der Straße auftauchen. Die Tiere müssen angemeldet werden. All das treffe auf Voigt zu, so Plücken. In der Mark gibt es Plücken zufolge 30 bis 35 Krokodile, Voigts Haustiere eingerechnet.
Wie viele Krokodile insgesamt in Deutschland gehalten werden, ist nirgendwo aufgelistet. Voigt schätzt, dass es in der Bundesrepublik knapp 500 Halter mit 1000 Krokodilen gibt – zuzüglich der schwarzen Schafe, die ihre Tiere ohne Papiere illegal etwa in der Badewanne leben lassen. Voigts Anlage besuchen jährlich über 2000 Gäste – 700 Menschen mehr, als in Golzow leben.
Schrecken verbreiten die ungewöhnlichen Gemeindebewohner nicht: Beim Nachbarn, in der Tankstelle gegenüber und im Discounter um die Ecke reagieren die Golzower entspannt, wenn man sie auf die Krokodile anspricht. Man kenne und schätze den „Krokodil-Heini“, sagt eine junge Verkäuferin im Supermarkt. Natur- und Tierschützer kritisieren indes das Treiben in Golzow.
Helmut Brücher vom Naturschutzbund Brandenburg rügt die Züchtung der Kaimane und deren anschließenden Verkauf an Privatleute. „Wenn die Tiere größer werden, gibt es bei Privatmännern keine adäquaten Gehege für sie.“ Ähnlich sieht es Tierschutzbund-Sprecher Tünte: Weil die Tiere nur enorm schwer artgerecht unterzubringen seien, sollten die Krokodile nicht nachgezüchtet werden. „Der Tierschutzbund ist generell gegen die Haltung dieser Tiere in Privathand.“
Noch ist bei Voigt kein Tier ausgebrochen. Und nur einmal verletzte ihn ein junger Kaiman beim Füttern. Prompt landeten sechs Finger und der Unterarm im Maul der Echse. „Das ging zack, zack, zack. Dann war eine Woche Chirurgie angesagt“, sagt Voigt. Noch immer hat der Krokodil-Liebhaber Respekt vor den Tieren: „Vorsichtig muss man schon sein. Das sind Kannibalen.“ Steffen Trumpf
Weitere Bilder der Golzower Krokodilfarm unter:
www.pnn.de/mediathek
Steffen Trumpf
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