
© G. Paul
KULtour: Das Natur-Talent
Ralf Wilhelm Schmidt war einst Forstwirt. Statt sie zu fällen malt er die Bäume jetzt lieber
Stand:
Raus aus dem Wald und ran an die Staffelei, so könnte man den Weg des einstigen Forstwirts und begnadeten Zeichners Ralf Wilhelm Schmidt im Eilgang umschreiben. Man hat es mit einem Mann zu tun, den es aus reiner Liebe beruflich in die Forste zog, um der Natur möglichst nahe zu sein. Er floh, als er sah, wie man die Wälder misshandelt. 2009 kam es über ihn: Wie von selbst wies sein Ingenium ihm den weiteren Weg durchs Leben. Er sollte die Natur im weiteren Sinn nicht mehr „fällen“, sondern sie allein mit dem Bleistift wiedergeben. Vielleicht hat er diesen geradezu kategorischen Impuls von ihr selbst bekommen, wer weiß. Ohne „höhere“ Ausbildung, lediglich aus der Erinnerung an das Schulfach Zeichnen, begann Schmidt 2009 ein Werk, das ihn seitdem durchs Leben zu führen versteht. Eher selten erweist die Natur dem Menschen solch einen Dienst. Wen dies aber trifft, den nennt man dann ganz zu Recht ein Natur-Talent.
Die allgemeinsten Stationen führten ihn von seinem Geburtsort Luckenwalde via Potsdam nach Caputh, wo er, am exklusiven Ort mit Zugang zur viel frequentierten Fähre, seit vorigem Jahr eine Galerie mit Atelier führt, oder umgekehrt. 4000 Besucher hat er seitdem gezählt. Offenbar gibt es ein ziemliches Interesse an solch „naturalistischen Bleistiftzeichnungen“, auf denen in Schwarz-Weiß ganz unspektakulär Fischreiher und Eisvogel, die Blutbuche oder ein querstreifiger Bockkäfer auf der Fingerhutblüte abgebildet sind. Einfache Motive in verschiedenen Formaten, die man auch als Print-Miniatur für kleines Geld bekommt. Das Geschäftliche gehört hier zum „Geistigen“ ganz einfach und ganz natürlich dazu.
Der Mittvierziger nennt Caputh einen „idealen Standort“ für seine Berufung, besonders in Bezug auf den Inspirationsquell Natur, denn Wasser und Wald, Sumpf und ein großer von etlichen Vögeln beflogener Himmel kommen hier ständig in eines. Betonte Erdnähe also. Obwohl sein naturnaher oder naturgetreuer Bleistiftstrich sich seit den Anfängen kaum verändert hat, sieht man neueren Arbeiten doch ein gewachsenes Selbstvertrauen an. Sie sind nun lockerer geworden, was wohl einen Schritt hin zur Kunst bedeutet, dem „Künstlichen“ also. In seiner Wirkstätte gegenüber der ehemaligen Bergmann-Villa sieht man vorwiegend Naturdarstellungen, Winterland und Eisesschatten, Uralt-Bäume, Tiere aus dem Volk der Vögel und der Insekten, ganz filigrane Sachen. Aber es gibt auch die Friedenskirche oder die Babelsberger Gerichtslaube zu sehen, respektable Formate darunter.
Eines freilich fällt aus der Art, weil durch reinste Imagination entstanden, „Die Wolfsfrau“. Ansonsten zeichnet Schmidt „nach der Natur“, benutzt Vorlagen aus Büchern, auch Fotos.
Obwohl der Neu-Caputher Licht in allen Schattierungen besonders gut kann und Grenzen für sein Schaffen nicht sieht, ist diese Art des grafischen Zeichnens nicht solitär. Die Galerie Töplitz stellte zum Beispiel Sara Möbius aus, die zur Inspiration in den Wald hineingeht und mit anspruchsvoller Grafik wieder herauskommt. Auch Alexander Schellbach, ein Freund alter Industriebrachen, erzielt in Sachen Foto-Realismus ähnliche Wirkungen, beide allerdings mit Kohle. Warum aber immer nur Bleistift und nichts anderes? „Weil es mir einfach gefällt“, antwortet Schmidt nach kurzem Zögern. Weiter so also, auch morgen gibt es den Schneck und den Eisvogel noch, hoffentlich noch. Gerold Paul
Gerold Paul
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