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KulTOUR: Das Spiel ist aus

Die Malerin Alexandra Weidmann bringt den Fußball in Werders Kunstgeschoss

Stand:

Werder (Havel) - Fußball ist nicht gleich Fußball, wenigstens in Werders „Kunst-Geschoss“. Es hätte auch verwundert, wenn Kurator Frank W. Weber sich in der neuesten Exposition auf eine platte Darstellung dieses populären Sports eingelassen hätte. Sie heißt „Kampf – Sieg – Niederlage“ und stammt von Alexandra Weidmann, jener Malerin, die sich vor knapp drei Jahren auf sehr originelle Weise mit den Schwarz-Weiß-Fotografien von Marie Goslich beschäftigte. Zu sehen war das in Petzow.

Diesmal also Fußball, ein gruppenbetonter Kampfsport. Weil es der Bälle einfach zu wenige sind, rast der Sportler unter Einsatz seiner Gesundheit dem Rundleder nach, prallt dabei auf den Mitmenschen, kämpft ihm unter Einsatz letzter Kräfte den Ball ab, um nur Vorteil daraus zu ziehen. Als lebende Kampfmaschine rempelt, schubst, ja spuckt er sprichwörtlich gegen seinen Nächsten, mit infantilen Gesten freut er sich über ein geschossenes Tor. Fußball ist fast wie Krieg – und damit auch ein Abbild der Welt. Genau so sieht das die Künstlerin. Ihre großformatigen, in unvermischten Farben gemalten Bilder sind nichts für bildungsbürgerliche Proselyten. Hier gibt es nichts zum Genießen, hier soll geschaut, reflektiert, assoziiert – und auch gelacht werden. Oder wie sollte man den Titel „Das Spiel ist aus“ sonst verstehen?

Zuerst einmal muss man die Techniken der gebürtigen Augsburgerin loben. Wie bereits in ihren Goslich-Bildern, nimmt sie ihre Sujets aus dem natürlichen Umfeld heraus. Ohne Hintergrund werden sie gleichsam in die zweite Dimension zurückgebeamt, da, wo auch die Comics wohnen. Dann substituiert und montiert sie neu. Zum Beispiel ersetzt sie einen Spieler, der gerade den Ball lostreten will, durch einen Soldaten. So wird das Schwungbein zum Soldatenstiefel, und der tritt nach einem, der nun wieder als Fußballer auf dem Boden liegt. Aus Sport ist Politik geworden. Gewalt. Noch deutlicher wird das bei jenem Bild, wo ein GI seinen gefangenen Iraker an der Hundeleine führt – auf der Kampfarena Sportplatz! Alexandra Weidmann liebt es nicht nur, drei Bolzer an einen Galgen zu hängen, sie nummerierte das Feld-Personal auch mal durch. Fußballer „Nr. A 17“ etwa sieht wie beinamputiert aus, als er gerade zum Schuss ansetzt. Oder sie montiert, wie in „Fußballspieler Nr. 4“, zu den drei Athleten, die schier in den Himmel fahren wollen, just einen vierten, der in der Bild-Predella tot am Boden liegt.

Kein Narr, wer eine Anspielung auf das Neue Testament vermutet. Solch spielerisch freier Umgang mit der Realität ist die beste und schönste Antwort auf die Gemeinheiten und Verbrechen der Welt. Bei ihr wird die Siegesgeste eines Kickers zu „Gottes Ebenbild“ nach einer Vorlage von da Vinci, drei Streiter um einen Ball geben genau jene Pose, in der man einst Trojanerprinz Paris und die drei Grazien abbildete. Für die Elf auf den „Inseln der Seligen“ beten im unteren Teil eines anderen Bildes eine ganze Mannschaft grüngekleideter OP-Schwestern. Die Berlinerin macht diese strammen, oft tätowierten Kämpfer zu Seiltänzern, zu lächerlichen Ballettjungs, ihre Arena zum Dschungel, wo hungrige Krokos nach Heldenwaden schnappen. Herrlich!

Ihre Bildsprache ist expressiv, die Sujets umwerfend überzeugend – der Leuchtkraft solch kluger Würfe entkommt sowieso kein Auge. Selbst vom FC Werder kam ausdrückliches Lob. Klar, Frank Weber hat ja auch den signierten Ball ihres Aufstiegs mit ausgestellt. Gratulation!

bis zum 11. März Do., Sa. und So. von 13 bis 18 Uhr geöffnet

Gerold Paul

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