Potsdam-Mittelmark: Das war’s in Klein Moskau
Kampf um Bleiberecht in Kleinmachnower Siedlung ist mit Beschluss des Bauausschusses gescheitert
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Kleinmachnow - Sie wird bleiben, sagt Helga Köhler. „Ich lass mich nicht vertreiben.“ Die 80-Jährige hat mit ihrem Mann Günther Köhler vor 34 Jahren ein Häuschen im Ringweg gekauft. Anfangs nutzte es das Kleinmachnower Paar als Wochenenddomizil neben der Wohnung im Thomas-Müntzer-Damm. Vor 14 Jahren dann ließen sich Köhlers einen Toilettenanbau genehmigen, machten aus dem Häuschen ihren Alterswohnsitz, haben sich eingerichtet und ordnungsgemäß angemeldet. Jetzt müssen sie fürchten, rausgeschmissen zu werden. „Das ist doch das Letzte“, sagt Helga Köhler.
Köhlers gehören zu elf Familien, die in der Siedlung, die in Kleinmachnow als „Klein Moskau“ bekannt ist, bald nicht mehr wohnen dürfen. Die Bauaufsicht hat in den vergangenen Jahren Abrissverfügungen und Nutzungsverbote ausgesprochen. Nach der Bauausschusssitzung am Montagabend, zu der viele Klein Moskauer ins Rathaus kamen, wurde ihnen klar, dass sie von der Gemeinde im Kampf gegen die Bescheide kaum Hilfe erwarten können. Der Ausschuss billigte den Vorentwurf eines Bebauungsplanes, wonach Klein Moskau nur noch als Wochenendsiedlung genutzt werden darf. Nur für die 14 Bewohner, die noch eine Baugenehmigung aus den 1930er-Jahren vorlegen können, soll ein Dauerwohnrecht bestehen bleiben. Doch insgesamt sind hier 23 Kleinmachnower hauptwohnsitzlich gemeldet, darüber hinaus knapp 40 Laubenpieper.
Der Streit zieht sich seit Jahren hin, die Klein Moskauer haben eine Bürgerinitiative gegründet, eine Petition mit 140 Unterschriften im Rathaus abgegeben. Sie haben Infoblätter verteilt, aus denen hervorgeht, dass hier 1924 von der Raiffeisen-Genossenschaft eine Kleingartensiedlung gegründet wurde, die 1935 durch Baugenehmigungen zum Wohngebiet geworden sei. Es wird ein Notarschreiben von 1951 zitiert, wonach hier „etwa 60 Parzellen mit einer Wohnstätte bebaut“ waren. Erst nach der Wende, als die Gemeinde das Gebiet zum Außenbereich erklärt hatte, habe die Verwahrlosung begonnen, die das Quartier bis heute prägt.
Viele der Wohnhäuser seien zu Ruinen verkommen, einige als Wochenendhäuser umgenutzt worden, so Initiativensprecher Jörg Wolgem. Doch immer noch sei die Siedlung Heimat für viele Kleinmachnower. Wolgem nennt es skandalös, dass ihnen das Wohnrecht entzogen werden soll. „So menschenfeindliche Entscheidungen zum Baurecht gab es in den schlimmsten Zeiten nicht.“ Wolgem selbst hat noch die alte Baugenehmigung gefunden, trotzdem setzt er sich für seine Nachbarn ein. Dass andere weniger Glück hatten, findet er nachvollziehbar. „Gehen sie mal durch Kleinmachnow und fragen sie nach einer 80 Jahre alten Baugenehmigung.“
Auch Brigitte Kumisch hofft immer noch auf einen Erfolg des Widerstandes. Als die Rentnerin ihren Gartenbungalow sanierte, 4500 Euro in die Neuvermessung investierte, habe sie die Behörden gefragt, ob sie einziehen kann. Noch im Jahr 2004 habe sie ordnungsgemäß ihren Hauptwohnsitz in Klein Moskau angemeldet. „Keiner im Rathaus hat mir gesagt, dass man da nicht wohnen darf“, so Kumisch. Jetzt wird sie sich wohl nach einer neuen Bleibe umschauen müssen.
Doch im Bauausschuss wurden gute Argumente vorgebracht, warum Klein Moskau kein Wohnquartier sein kann. Dass Areal war offenbar mal ein See, der beim Bau des Teltowkanals zugeschüttet wurde. Der miese Baugrund des Quartiers am Teltowkanal ist durch ein Gutachten belegt – und der Hauptgrund, warum die Gemeinde nicht nachgeben will. Bauausschussvorsitzender Matthias Schubert (SPD) warnte vor Schadensersatzansprüchen in erheblichem Umfang, die auf die Gemeinde zukommen können. „Wenn die Häuser wegsacken, wird es Anwälte geben, die sagen: Wie konntet ihr das planen?“ Und es werde Richter geben, die ihnen recht geben. Auch der Straßenausbau werde teuer.
Der Baugrund in der Siedlung sei teilweise gut und teilweise schwierig, hält Anwohnersprecher Wolgem entgegen. „Dennoch gibt es heute viele Möglichkeiten, auch auf schwierigem Untergrund problemlos und sicher zu bauen. Das ist Sache des Bauherrn und kann nicht ausschlaggebend sein.“ Doch Matthias Schubert steht mit seiner Skepsis nicht allein da. Im Bauausschuss gab es nur zwei Gegenstimmen gegen den Bebauungsplanentwurf – und sieben Ja-Stimmen.
Bürgermeister Michael Grubert (SPD) erinnerte daran, dass die Gemeindevertretung das Gebiet zwischen Penta-Hotel und Augustinum in den 90er-Jahren bewusst zum Außenbereich deklariert hatte, um keine Wohnbebauung zuzulassen. Er sieht die Chance, die Gartensiedlung zu beleben, wenn durch einen Bebauungsplan Klarheit besteht, was erlaubt ist. Grubert warb für einen Kompromiss, der alle, die eine Baugenehmigung haben, schützt. „Alle anderen haben keinen Vertrauensschutz und benötigen einen anderen Hauptwohnsitz.“
Doch es gibt auch Fälle im Graubereich, Nils Freitag etwa hat auch sein alter Bauschein von 1935 nichts genützt. 2006 hatte er in Klein Moskau ein Haus für seine Eltern gekauft, die wegen Rückübertragungsansprüchen Kleinmachnow verlassen mussten. Ein Jahr später beantragte er einen Ersatzneubau, denn das alte Haus sackte ab und bekam Risse. Weil sich das Gebäude im Außenbereich befindet und seit 1992 nicht genutzt wurde, habe ihm die Bauaufsicht die Genehmigung versagt.
Freitags erfolglose Klage hat wohl die Bauaufsicht auf den Plan gerufen, seit jener Zeit jedenfalls gibt es den Ärger mit der Kreisbehörde. Wird der Bebauungsplan rechtskräftig, was zum Jahresende geplant ist, darf Freitag hier allenfalls ein 30 Quadratmeter großes Wochenendhäuschen bauen – wo jetzt ein Anderthalbgeschosser mit 100 Quadratmeter Wohnfläche steht.
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