Potsdam-Mittelmark: „Das Zerfleischen findet nicht statt“
Bäderberater Ludwig Lüllepop zur Privatisierung der Steintherme, den Chancen für Werder und der Bäderdichte rund um Potsdam
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Herr Lüllepop, Sie sind seit fast 20 Jahren als Projektentwickler tätig und vor allem für Ihre großen Badprojekte bekannt. Als Sie vor sechs Jahren die Potsdamer Stadtwerke kurzzeitig zum Badneubau berieten, wurde das Ludwigsfelder Rathaus richtig sauer. Sie hatten zuvor Ludwigsfelde bei der Entwicklung der Therme beraten und man fürchtete ein Konkurrenzprojekt. Jetzt ist bekannt geworden, dass Sie Bad Belzig bei der „Neupositionierung“ der Steintherme helfen wollen, nachdem Sie gerade in Werder (Havel) unterwegs waren. Fürchten Sie nicht, dass auch das Rathaus Werder sauer werden könnte?
Da sehe ich an sich keinen Ansatz. Ich achte bei jeder Projektentwicklung darauf, dass sich die Bäder nicht gegenseitig wehtun, dass also nicht verdrängt wird sondern ergänzt. Was Bad Belzig und Werder angeht, werden sich die Bäder schon deshalb nicht wehtun, weil sie völlig unterschiedlich ausgerichtet sind.
Die Steintherme muss von der Kommune mit einer Million Euro jährlich bezuschusst werden. Die Gästezahlen liegen weit unter den Erwartungen, die Sanierung hat nicht geholfen. Was muss passieren, damit es wieder aufwärts geht?
Man hat in Bad Belzig bei der Planung den Fehler gemacht zu glauben, dass eine interessante Architektur mit Solebecken ausreicht, um Badegäste anzulocken. Das war von Beginn an eine Fehleinschätzung, die Krankenkassen finanzierten so etwas schon damals nicht mehr. Man benötigt den selbstzahlenden Gast, und der will attraktive Angebote und einen besonderen Service sehen. Mein Auftrag vom Landrat ist zu recherchieren, was sich bei der Steintherme ändern muss. Das kann ich etwa Ende März beantworten. Wenn man sich das Einzugsgebiet anschaut, liegt es aber auf der Hand, sich zum Beispiel bei der Vermarktung entlang der Autobahnachse mehr in den Raum Halle-Leipzig zu orientieren.
Wie in Belzig soll auch in Werder die private Beteiligung an der „Blütentherme“ für Erfolg sorgen. Anfangs wollte die Stadt auf eigene Faust nur ein kleines Schwimmbad bauen. Hätte das nicht gereicht?
Die Stadt war aus meiner Sicht mit einem falschen Bad an einem falschen Standort. Ursprünglich wollte man als Mittelzentrum ein kleines Hallenbad zur Daseinsfürsorge anbieten. Das ist aber nicht rentabel zu betreiben. Wo Wasser drin ist, entstehen hohe Kosten. Die können mit anderen Bereichen, in denen Geld verdient wird, kompensiert werden. Deswegen war ich an Bürgermeister Werner Große herangetreten und hatte ihm vorgeschlagen, eine Gesamtkonzeption zu erstellen, wie man ein Bad mit dem gleichen oder sogar geringerem Aufwand attraktiver und damit rentabler an den Markt bringt. Diese Gesamtkonzeption war Basis für die europaweite Ausschreibung.
Auf lange Sicht soll Werder bei diesem Modell sogar günstiger fahren. Was können Unternehmer besser als Kommunen?
Kommunale Bäderbetriebe können immer darauf vertrauen, dass die öffentliche Hand die Defizite deckt. Das sieht in der privaten Wirtschaft anders aus. Ein Privater ist gezwungen, sein Bad so einzurichten, dass es angenommen wird. Er ist erfolgreich, weil er eigene, bewährte Konzepte und Ziele verfolgt, den Markt beobachtet und danach handelt. Es gibt aber auch Beispiele für kommunale Bäder, die gut laufen, zum Beispiel die Spreewelten in Lübbenau. Durch das Relaunch, an dem ich beteiligt war, ist es gelungen, das Bad zu stabilisieren.
Was müssen die Bäder in Bad Belzig, Werder, Ludwigsfelde und Potsdam tun, damit sie sich nicht irgendwann gegenseitig zerfleischen?
Das Zerfleischen findet nicht statt. Die Kristalltherme Ludwigsfelde ist als Saunatherme konfiguriert und hat mit ihrer Saunalandschaft eine ganz eigene Ausrichtung. Wer dort hingeht, ist immer nur Saunagast, das Sportbad ausgenommen. Bad Belzig ist als Heilbad bekannt für die eigene Thermalsole. Was in Potsdam stattfindet, ist nach meiner Überzeugung ein Ersatzneubau für das abgängige Brauhausberg-Bad. Die Summen, die im Raum stehen, werden über ein 50-Meter-Becken hinaus keine großen Angebote möglich machen. Das heißt, dort wird im Wesentlichen nichts stattfinden, was den Markt verändert. Werder ist auf die Themen Familie, Sport und Gesundheit ausgerichtet, und zwar vor dem Hintergrund, das die Stadt Erholungsort ist. Die beiden Großrutschen zum Beispiel wird es nur in Werder geben. Diese Bäder werden sich nicht wehtun, sondern gegenseitig ergänzen.
Die letzte Bäderstudie des Landes Brandenburg von 2003 besagt, dass es genügend Freizeitbäder und Thermen im Land gibt. Damals hieß es, dass höchstens noch ein neues Großbad zu verkraften ist – in Potsdam oder in Werder. Die Kristalltherme in Ludwigsfelde gab es da noch gar nicht.
Die Bäderstudie habe ich immer kritisch betrachtet. Bis heute hat Brandenburg mit 7 Quadratmetern Hallenbadfläche auf 1000 Einwohner große Spielräume. Der Bundesschnitt liegt bei 12 Quadratmetern, selbst Berlin liegt mit 10 Quadratmetern darunter. Attraktive Bäder gehören heute zu einer intakten Infrastruktur, in allen Bundesländern sind sie Bestandteil des Wettbewerbs der Regionen um Wirtschaftsansiedlungen, Besucher und neue Einwohner. Ich halte es gerade durch Ludwigsfelde für nachgewiesen, dass der Bedarf in der Region noch nicht gedeckt ist. Wir sind dort bei der Planung mit 300 000 Gästen herangegangen, jetzt kommen doppelt so viele. Die Gästezahlen haben also auch etwas mit dem konkreten Angebot zu tun. Noch mehr Luft hat Brandenburg im nördlichen Landesteil, der Uckermark. Die höchste Arbeitslosenquote ist nun mal nicht mit sanftem Tourismus zu bekämpfen.
In mehreren Ihrer Badprojekte ist nach der Ausschreibung die Kristall Bäder AG aus dem mittelfränkischen Stein zum Zuge gekommen, unter anderem auch in Bad Wilsnack, Ludwigsfelde und in Werder. Ihnen wird eine gewisse Nähe nachgesagt, besteht die tatsächlich?
Es gibt weder juristische noch natürliche Verbindungen zwischen der Grundstücks- und Infrastrukturentwicklungsgesellschaft in Eschwege und der Kristall-Bäder-Gruppe. Die Gemeinsamkeit besteht allerdings darin, dass die GIG über ein erfolgreiches Know-how bei der Entwicklung von Bäderstandorten und der Zusammenführung von Erfolgsdeterminanten verfügt und die „Kristall Bäder AG“ zu den erfolgreichsten Bäderbetreibern in Deutschland gehört. Wenn die AG, wie zuletzt in Werder, in einer Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot gemacht hat, gibt es auch den Zuschlag von der Kommune. Der wirkliche Zusammenhang steckt im gemeinsamen Interesse am Erfolg.
Das Interview führte Henry Klix, mehr zum Thema Bäderplanung auf Seite 7.
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