Besseresser in Kleinmachnow: Dem Bauern in die Augen geschaut
„Der Bienenstock sagt ja“ heißt eine französische Bewegung, die Landwirte mit Kunden zusammenbringt. Als „Food Assembly“ kommt die Idee auch in Deutschland an. Jetzt wird ein Standort in Kleinmachnow eröffnet
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Kleinmachnow - Verbraucher wollen wissen, was sie auf dem Teller haben. Und Landwirte wollen ihre Qualitätserzeugnisse zu vernünftigen Preisen auf kurzen Wegen an den Mann bringen. Man muss nur beide Seiten zusammenbringen – in Frankreich ist aus der Idee eine Bewegung erwachsen: „La Ruche Qui Dit Oui!“, übersetzt „Der Bienenstock sagt ja“. Man bestellt im Netz, holt die frische Ware an Sammelpunkten um die Ecke ab, wo man dem Landwirt in die Augen schauen kann.
Etwa 700 solcher Regiomärkte sind inzwischen in ganz Frankreich verteilt, seit dem vergangenen Jahr sind sie unter dem Namen „Food Assembly“ auch in Deutschland angekommen. Yvonne Friedrich aus Kleinmachnow holt den innovativen Essens-Bausatz nun in ihren Heimatort.
Gewünschte Ware wird Internet geordert
Ab dem 30. September wird jeden Mittwochabend in den Neuen Kammerspielen in den neuen Regiomarkt eingeladen. Die gewünschte Ware kann zuvor im Internet geordert und bezahlt werden: Fleisch, Wurst, Gemüse, Kräuter, Käse, Milch, Eier, Säfte, Aufstriche und Feinkost – alles hochwertige und handwerklich hergestellte regionale Lebensmittel, die in dieser Qualität kaum im Supermarkt erhältlich sind, wirbt Friedrich für das Konzept. Die Landwirte sind während der zweistündigen Marktzeit vor Ort, die Distanz des Supermarktes sei überwunden.
„Die Erzeuger liefern genau das an, was die Kunden bei ihnen bestellt haben, und fahren nicht mit halbleeren Kisten zurück“, sagt Friedrich gegenüber den PNN. Das helfe, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, den Transportaufwand gering zu halten und ermögliche auch kleineren bäuerlichen Betrieben einen Marktzugang zu fairen Konditionen. Im Schnitt sind die Erzeuger bei „Food Assembly“ 40 Kilometer vom Marktstandort entfernt – während Lebensmittel im Supermarkt oft einige tausend Kilometer unterwegs sind.
Yvonne Friedrich ist in Zehlendorf aufgewachsen, führt mit ihrem Mann hauptberuflich die Gastroberatung „Food Concepts Berlin“. Viele Gastwirte würden bei ihren Kunden mit Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität punkten. Das seien auch Themen für den heimischen Kühlschrank. Die 44-Jährige wollte schon mit ihrem Mann einen eigenen Regiomarkt eröffnen. „Da bin ich über das Konzept von ,Food Assembly’ gestolpert.“
Rübchenbauer Szilleweit aus Teltow macht mit
Mit der Idee, der Globalisierung der Lebensmittelbranche die regionalen Wirtschaftskreisläufe entgegenzuhalten, konnte sie sich schnell anfreunden. So ging es auch Axel Szilleweit, der zu den Landwirten gehört, die in Kleinmachnow an den Start gehen. Bekannt ist sein Biohof für die Teltower Rübchen. Doch Szilleweit hat auch Äpfel, Süßkirschen, Pflaumen, Tomaten, Pastinaken und Kräuter aus Bioanbau zu bieten.
Er weiß, dass angesichts der wachsenden Zahl von Biosupermärkten und Bioangeboten auch das nicht jedem Kunden reicht. „Die die Pionierarbeit geleistet haben, werden heute an den Rand gedrängt“, sagt Szilleweit. Das gelte auch für viele kleinere und nachhaltig wirtschaftende Bauern im konventionellen Bereich. Mit dem neuen Konzept aus Frankreich die Angebotspalette für die Kunden zu erweitern, ein Netzwerk zu nutzen, um mit den Kunden in Kontakt zu treten, nur zu ernten, was auch bestellt wurde – all das habe ihn gereizt.
Das Modell trägt sich über Dienstleistungsgebühren
Sechs Erzeugerbetriebe sind in Kleinmachnow im Boot, ein gutes Dutzend könnten es laut Yvonne Friedrich idealerweise werden. Allein durch Mundpropaganda hätten sich bereits über 50 Kleinmachnower als Mitglieder der neuen „Food Assembly“ eingetragen. „Eine Abnahmeverpflichtung ist damit nicht verbunden“, wie Friedrich betont.
Das Modell trägt sich über Dienstleistungsgebühren: Jeweils 8,35 Prozent des Umsatzes der Erzeuger gehen an „Food Assembly“ und an den Gastgeber des Bauernmarkts. Für den Produzenten soll sich das Ganze trotzdem rechnen, vom Handel erhalten die Landwirte oft kaum 30 Prozent des Endpreises.
Udo Tremmel von „Food Assembly Deutschland“ erzählt, dass es in Berlin inzwischen zehn Märkte nach dem Vorbild der französischen „Bienenstöcke“ gibt. Auch in München, Köln und Chemnitz gibt es erste Sammelpunkte, 20 weitere sind im Aufbau. Dennoch sei aus der Idee in Deutschland nach einem Jahr noch keine soziale Bewegung wie in Frankreich geworden. „Vielleicht liegt es daran, dass Städte wie Berlin bereits mit Biomärkten zugepflastert sind“, sagt der Unternehmenssprecher.
„Food Assembly“ hat auch konventionelle Landwirte mit im Boot. Yvonne Friedrich nennt als Beispiel den Arenzhain-Hof in Elbe-Elster, der seine Wollschweine zwar nicht mit Biosiegel verkauft, aber größten Wert auf artgerechte Haltung legt, Genfutter und Antibiotika aus dem Stall verbannt hat und bedrohte Nutztierrassen schützt. „Wer will, kann im Netz aber auch ein Häkchen machen – und bekommt dann nur Bio.“
Eröffnung am 30. September von 17 bis 19 Uhr in den Neuen Kammerspielen, Karl-Marx-Straße 18, dann jeden Mittwoch. Im Internet unter foodassembly.de
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