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Potsdam-Mittelmark: „Dem Rad in die Speichen fallen“

Religionsschüler des Ernst-Haeckel-Gymnasiums erforschten die Geschichte der Bekennenden Kirche in Werder

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Werder (Havel) - Anlässlich der Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag der Heilig-Geist-Kirche Werder haben sich 13 Religionsschüler des Ernst-Haeckel-Gymnasiums auf die Suche nach den Wurzeln ihrer Gemeinde in der NS-Zeit begeben. Unter dem Titel „Zwischen Widerstand und Ergebung“ dokumentierten die Neuntklässler ihre Ergebnisse nun in einer bemerkenswerten Ausstellung vor Ort. Ein Teil hatte Zeitzeugen wie Bruno Krause befragt, ein anderer stellte die „ideologischen Grundsätze“ jener Tage zusammen. Zur Ausstellungseröffnung berichteten alle mit Sachkenntnis über die „Bekennende Kirche in Werder“.

Es geht um keine Kleinigkeit. Hinter dem Projekttitel verbirgt sich nichts geringeres als das von Luther so folgenschwer formulierte Verhältnis der Amtskirchen zum Staat, „Widerstand“ war da eigentlich gar nicht vorgesehen. Nach seinem Machtantritt baute Hitler aber sofort eine Art Staatskirche mit nationalsozialistischer Zielsetzung auf, was zur Spaltung der Evangelischen Kirchen im Reich führte. Einerseits die „Deutschen Christen“, andererseits die „Bekennende Kirche“ unter Dietrich Bonhoeffer – er wollte „dem Rad in die Speichen fallen“ – Martin Niemöller oder Kurt Barth. Beide Flügel wussten sich in der „reinen Lehre“, indes die Gegenseite „falsche Kirche“ genannt wurde. Für die „Deutschen Christen“ (DC) ging es seit 1933 um Anpassung, für die Bekennenden um Widerstand, wofür man sogar eigene Credos entwarf – keine „Gleichschaltung“ jedenfalls, auch nicht in Werder.

Nach 1933 fand „das christliche Leben weiterhin unter Kontrolle statt“, steht da zu lesen. Schon 1934 forderte ein Pfarrer von der Gemeinde, „sich auf den Boden der Bekennenden Kirche zu stellen“, was bei einer Enthaltung zwar angenommen, aber erst vier Jahre später mit der Gründung eines „Gemeindebruderrates“ und eigenem Protokollbuch umgesetzt wurde. Die Namen im betreffenden Dokument sind für die Ausstellung geweißt. Trotz Verbots wurden Fürbitten zugunsten verfolgter Juden abgehalten, „Vertriebenen“ gab man Obdach. Patronatsältester Willibald Krause hielt die Verbindung zu den führenden Köpfen der „Bekenntnisfront“ – so der damalige Sprachgebrauch – in Berlin. Bespitzelung und Verrat gab es trotzdem, zumal die Hälfte des Posaunenchores zur SA überlief und Pfarrer Rättig 1938 vorübergehend inhaftiert wurde. Man erfährt auch von Kirchenaustritten und „Anschwärzungen“ beim Generalsuperintendenten. Einmal kamen sogar dreißig SA-Uniformierte in den Gottesdienst, um für die Wehrmacht zu werben.

Im ganzen erweckt diese Ausstellung aber den Eindruck eines weitgehend geschlossenen „Widerstandes“ unter dem Dach von Heiliggeist, wozu auch diese seltsamen Grundsätze der „Frauenhilfe“gehörten – zu lesen auf vier teils dokumentarischen Schautafeln : 1. Lehrer, die gegen die Religion handeln, sind gegen die Regierung, 2. Religion ist Pflicht, 3. Eltern getaufter Kinder sind zu deren christlicher Erziehung verpflichtet, 4. ohne Religionsunterricht keine Konfirmation, 5. Hausbesuche bei Eltern, die gegen den Religionsunterricht ihrer Kinder sind, um sie eines besseren "zu überzeugen". Die Nazis setzten ja Religionsunterricht mit „Judenverherrlichung“ gleich.

Weil „nicht mehr erforderlich“, löste man die Bekennende Kirche 1945 auf.

Gerold Paul

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