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Neu im Fährhaus: Abstraktes von Mira Wunderer.

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KulTOUR: Denken ist schön

Meisterschülerin Mira Wunderer sagt, die Bilder kämen zu ihr. Jetzt stellt sie im Fährhaus Caputh aus

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Schwielowsee - Wer sich Meisterschüler bei Georg Baselitz nennen darf, wird mit Sicherheit irgendwann einmal auch mit dessen binsenhaften Spruch konfrontiert, wonach Bilder betrachtet, nicht aber interpretiert sein wollen. Nun, damit hätte sich die zeitungsgerechte Mitteilung über eine sehenswerte Ausstellung in der Galerie am Fährhaus Caputh eigentlich schon erledigt, denn Mira Wunderer war Meisterschülerin bei jenem Großen, der seinen Bildern bekanntlich Kopfstand lehrte. Galerist Norman Müller entdeckte sie und ihr Werk just im „Neuen Atelierhaus Panzerhalle“ bei Groß Glienicke. Ihr mehr oder weniger abstrakter Malstil gefiel ihm so gut, dass er dafür sogar auf sein grundsätzlich figürliches Ausstellungskonzept verzichtete.

Jetzt hängen die Bilder von Mira Wunderer in der alten Fährhaus-Remise, am Fluss in Erwartung der Betrachter. Der Interpreten wohl weniger. Wie recht Baselitz mit seiner „Binse“ hatte, zeigt ein Blick in den Katalog. Da quälen und verbiegen sich die Klugen, um der 1958 am Lech geborenen Malerin irgendwie gerecht zu werden, ohne dabei selbst besonders dumm auszusehen. Man behalf sich mit löchrigen Begriffen wie „philosophische Identitätssuche“, „Ordnung von Symbolen“ oder „Denken und Natur“, und karrte zur Bestätigung Namen wie Popper, Jung, Heisenberg, sogar den alten Sokrates heran.

Dabei ist diese Frau mit dem doppelten Wundern im Namen doch zuerst mal eine Künstlerin, die lediglich von sich behauptet, „dauernd malen“ zu müssen, was sie sich nicht mal selbst ausgedacht habe. Vielmehr kämen die Bilder zu ihr. Sie mache diese nur „fest auf der Leinwand, damit sie nicht entwischen oder ausrücken, und man sie sich in Ruhe angucken kann“.

Also doch Baselitz. Wenn Kunst jene Klugheit so rasch in Verlegenheit bringen kann, ist das schon mal toll. Wie sagte Mira Wunderer doch so gar nicht einvernehmlich? „Denken ist schön." Freilich gibt ihr Werk dem gelehrten Volk ja auch Anlass zu solcher Begriffssprache, weil sie Werktitel wie „Neue Dinge“, „Interferenz“ oder „Neuer Raum“ verwendet. Andererseits mischt sie in ihrer Peinture doch ganz nach Gusto, übermalt und lässt weg, abstrahiert und auch nicht, zeichnet ins Acryl oder Ölpastell hinein, malt in ihren Zeichnungen: Unvollkommen, unabgeschlossen, wie alles auf Erden, eben auch das Denken. Deshalb bleibt hier und da der Unter-, also Hintergrund „roh“, es wird nicht mal grundiert. Dass ihr Geist mehr nach eigenem Ausdruck als nach „Objektivität“ sucht, ist ohnehin klar. Enthielten diese Präsentationen also nicht durchweg auch etwas „Unreines“, könnte man glatt von „reiner Kunst“ sprechen, wie analog bei der Musik. Farbtechnisch gesehen sind es vermutlich schon Meisterwerke.

Die Ausstellung ist überschaubar. Norman Müller wählte vorwiegend größere Formate der rechts- und linkshändig malenden Künstlerin aus den letzten 15 Jahren, darunter einiges aus der Serie „Neue Dinge“ und der postkartenfüllende, aber nicht gerade stärkste Wurf „Drei Bäume“. Programmatisches tragen die „Interferenzen“ vor. Im übrigen darf sich niemand wundern, wenn er in Wunderers Werkschau plötzlich eine „Motivumkehr“ a la Baselitz entdeckte. Schauen oder Interpretieren? Statt mit vorgestanzten Kopfmustern in diesen Bildern herumzustochern, sollte man einfach darauf achten, was sie mit einem machen. So kommt man nicht nur leichter „hinein“, man entgeht auch dem zwanghaften Imperativ, dauernd unlösbare Rätsel zu lösen, die doch keiner kennt.

Galerie Fährhaus bis 30. Oktober sonntags 13 bis 17 Uhr

Gerold Paul

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