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Potsdam-Mittelmark: Der Alte Fritz auf Ganovenjagd

Wilhelmshorster Schüler lassen die Puppen tanzen – und wollen so Interesse an Geschichte wecken

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Michendorf - Der Alte Fritz ist sauer: Erst muss er mit seiner Frau in einer Kutsche nach Sachsen holpern, um dort August dem Starken zur Krönung zu gratulieren. Dann bricht die Kutsche auch noch entzwei. Und schließlich wollen Diebe sein Mitbringsel stehlen. Die Schatulle mit Gold ist für Olaf und seine Halunken einfach zu verlockend – nur stellen sich die Gauner ziemlich dumm an und werden am Ende von Friedrich geschnappt. „Hätte ich euch Vollpfosten bloß nicht gestern in der Kneipe aufgelesen“, jammert der Bandenchef in Anbetracht seiner misslichen Lage.

„Wir lassen die Puppen tanzen – Geschichten aus der Kutsche“ heißt die Aktion, bei der Kinder der Oberschule Wilhelmshorst ihr erstes eigenes Theaterstück auf die Bühne bringen – auf die Puppenbühne. Dafür sind sie eine Woche lang bei Udo Weber in die Lehre gegangen. Der Potsdamer arbeitet seit über 20 Jahren als professioneller Puppenspieler und betreibt in Potsdam-Babelsberg die Puppenbühne Burattino. In Wilhelmshorst veranstaltete er einen Workshop mit elf Schülern der achten Klassen. Von der Gestaltung der Puppen über das Ausdenken eines Stückes bis hin zur Vorstellung wurden alle Stationen durchlaufen.

Man nimmt es dabei nicht ganz so genau mit den historischen Fakten. Klar: August der Starke ließ sich bereits 1697 zum König von Polen krönen, 15 Jahre vor Friedrichs Geburt. Und ob der Alte Fritz mit seiner ungeliebten Gattin eine Kutsche geteilt hätte, sollte dahingestellt bleiben. Aber es geht auch nicht um Genauigkeit, sagt Lehrer Thomas Koch, sondern darum, Geschichte für den Nachwuchs erlebbar zu machen und Interesse zu wecken.

„Das bisherige Konzept in Museen, bei dem jemand erzählt und alle müssen zuhören, geht über die Köpfe der Kinder hinweg“, so Koch, der gleichzeitig als Museumspädagoge im Haus der Brandenburg-Preußischen Geschichte (HBPG) arbeitet. Vor allem Grundschulkinder, sagt er, seien dort stark unterrepräsentiert.

Koch würde gern mehr Museumsbesucher unter den Kleinsten gewinnen – und setzt dafür auf die Hilfe der Großen. Beim jährlichen Lern- und Spielnachmittag in Wilhelmshorst, zu dem die zehnten Klassen mit Grundschülern backen oder basteln, zeige sich immer wieder, wie fasziniert beide Generationen voneinander sind – und wie gut sie miteinander auskommen. Das Theaterstück soll nicht nur an der Schule, sondern im Mai auch im Potsdamer Kutschstall am Neuen Markt aufgeführt werden. Neben dem HBPG ist die „Initiative Oberschule“ mit im Boot, die den Workshop in Wilhelmshorst bezuschusst hat.

Zur Vorbereitung hatten die Kursteilnehmer das Museum in Potsdam besucht, auch sonst kennen sie sich mit der Geschichte aus. „Friedrich II. war nicht so wie sein Vater“, erzählt Oberschülerin Sophia. Der hätte sich vor allem für das Militär interessiert, während Friedrich das Musische gelegen habe. „Er hat zwar auch zwei schlesische Kriege geführt, aber er hat sich auch viel mit seinem eigenen Volk beschäftigt“, so die Wertung der Achtklässlerin.

Die Fakten haben die Fantasie beflügelt. „Die ist bei den Kindern vorhanden – man muss sie nur wecken“, sagt Udo Weber. Und Puppentheater, das nicht mehr und nicht weniger als die Belebung toten Materials sei, ist in seinen Augen dafür besonders geeignet. Im Rahmen des Projektes mussten die Kinder zuerst selbst schauspielerisch in Aktion treten, dann übertrugen sie ihre Rollen auf die Handpuppen. 31 davon hatte einer der Schüler von zuhause mitgebracht. Gemeinsam wurden sie der Geschichte angepasst – mit neuen Kostümen, Schmuck und Gesichtszügen.

Geschrieben hat die Geschichte die zwölfjährige Sandra. „Das schwierigste am Puppenspiel ist es, die Bewegungen darzustellen“, sagt sie. Das fängt beim Sitzen an, geht über das Laufen und endet beim Sprechen – wenn die Puppen miteinander reden, müssen sie sich auch anschauen. Auch die Stimme zu verstellen ist eine neue Erfahrung, welche die Kinder verinnerlichen mussten. So wird bei der Auswertung bemängelt, dass der König – gespielt von einem Mädchen – eine viel zu hohe Stimme hat. Die Schüler sparen nicht mit Selbstkritik, sie wollen eine perfekte Vorstellung abliefern.

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