Potsdam-Mittelmark: Der Bann wird oft erst spät gebrochen Im Gespräch mit Soziologin Annelie Dunand
Frau Dunand, Im Fall des Reiterhofes in Reckahn besteht der Verdacht, dass über einen längeren Zeitraum Kinder von ihrem Trainer sexuell missbraucht wurden. Jetzt erst kommen die Fälle in die Öffentlichkeit.
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Frau Dunand, Im Fall des Reiterhofes in Reckahn besteht der Verdacht, dass über einen längeren Zeitraum Kinder von ihrem Trainer sexuell missbraucht wurden. Jetzt erst kommen die Fälle in die Öffentlichkeit. Ist das ungewöhnlich?
Solche Fälle hat es auch schon in der Vergangenheit gegeben. Oft ist es so, dass der Stein erst ins Rollen kommt, wenn ein Kind den Mut hat, sich zu offenbaren und von den Eltern eine Anzeige gestellt wird. Dann überwinden auch andere betroffene Kinder ihre Angst und sprechen über ihre Erfahrungen.
Warum wird so lange geschwiegen?
Kinder studieren ihr Umfeld genau und überlegen, welche Chance sie haben, dass man ihnen glaubt, besonders wenn es sich um eine bekannte Bezugsperson wie einen Trainer handelt. Die Kinder befürchten, dass sie etwas in Gang setzen, was sie nicht überblicken können. Sie sehen die Gefahr, geliebte Bezugspersonen zu verlieren. Sie können die zwei Seiten eines Menschen schwer zusammenbringen. Dieser Bann wird oft erst gebrochen, wenn sich ein Kind offenbart hat.
Wie können Eltern ihre Kinder schützen, sie auf solche Situationen vorbereiten?
Wichtig ist, die Kinder rechtzeitig über Sexualität und sexuelle Beziehungen aufzuklären, über die schönen, aber auch die möglichen negativen Seiten. Sie müssen wissen: Es kann auch eine Annäherung geben, die mir nicht liegt, die mir Angst macht. Eltern müssen ihre Kinder ermutigen, dann zu ihnen zu kommen, wenn sie ein Problem sehen. Sie sollten dabei aber nicht bedrängt werden. Kinder sollten ermutigt werden, zu üben die eigenen Grenzen zu setzten und sie zu verteidigen.
Gibt es Warnsignale, die Eltern wahrnehmen können?
Ein Signal ist, wenn Kinder plötzliche Verhaltensänderungen zeigen, sie sich zum Beispiel zurückziehen, wenn sie vorher munter waren. Es können auch bisher unbekannte Probleme auftreten, zum Beispiel, dass das Kind nicht mehr zum Training möchte. Zudem sollten Eltern genau das Umfeld betrachten, in dem das Kind seine Freizeit verbringt.
Wie kann Kindern geholfen werden, die solche Erlebnisse zu verarbeiten haben?
Sie benötigen vor allem emotionale Zuwendung. Dazu gehören auch Freizeitangebote, bei denen sie neue positive Erfahrungen sammeln können. Auch sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, zum Beispiel von unserem Institut Stibb e.V. als Facheinrichtung für die Beratung bei sexuellem Missbrauch im Land Brandenburg oder von regionalen Beratungsstellen.
Diplom-Soziologin
Annelie Dunand ist Leiterin des Sozial-Therapeutischen Instituts Berlin-Brandenburg (Stibb e.V.) mit Sitz in Kleinmachnow,
Telefon
(033203) 22674
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