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Von Thomas Lähns: Der Biber auf dem Vormarsch

Angenagte Bäume auf Werders Insel zeigen: Europas größtes Nagetier breitet sich aus

Werder (Havel) – „Meister Bockert“ hat ganze Arbeit geleistet: Am Nordufer von Werders Insel sind dieser Tage so einige angenagte Bäume zu sehen. Hinter den Kleingärten, wo es im Winter besonders ruhig ist, konnte er ungestört knabbern. „Als ich neulich hier spazieren war, hat mich fast der Schlag getroffen“, sagt der Werderaner Hans-Dieter Zinnäcker und deutet auf einen fast durchgefressenen, dicken Stamm. Dass es in Werder Biber gibt, hatte der Rentner kaum für möglich gehalten. Die Indizien sprechen für sich: Konische Abbisse, die von keiner Säge stammen, daneben grobe Spähne.

Ende des 19. Jahrhunderts galt das größte Nagetier Europas hierzulande als ausgerottet. Der Biber wurde wegen seines Fells gejagt, auch weil er bis in die Neuzeit hinein in den Augen der Kirche als Fisch galt und in der Fastenzeit verzehrt werden durfte. Die Zerstörung seiner Lebensräume durch Kanal- und Siedlungsbau tat ein Übriges. Lediglich am mittleren Elbelauf hatten einige Tiere überlebt.

Seit zehn Jahren ist der Biber auch in Potsdam-Mittelmark wieder anzutreffen, wie der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, Günter Kehl, zu berichten weiß. Von Sachsen-Anhalt sind die Tiere durch natürliche Ausbreitung bis nach Potsdam vorgedrungen und leben mittlerweile an fast allen Flüssen des Landkreises. Die größte Population befindet sich am Beetzsee. Werders Biber ist wahrscheinlich ein Ausreißer, denn auch an der nahen Wublitz und an der Riegelspitze gibt es seit längerem feste Reviere.

So war es auch ein Biber, der vor knapp drei Jahren an der Strengbrücke für Furore gesorgt hatte: Jugendliche schlugen Alarm, weil sie ein Krokodil gesehen haben wollten, die Behörden wurden hellhörig. Statt des Reptils wurde eine Biber-Burg gefunden. Solche Bauten sind keine Seltenheit mehr im Märkischen: 2200 Elbe-Biber leben in Brandenburg. Die Landesregierung hat die Tiere, ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten Ende der 90er Jahre unter Schutz gestellt.

Das gilt auch für die Dämme, solange sie keine großen Schäden anrichten. Im westlichen Landkreis bei Wusterwitz habe seine Behörde mal eingreifen müssen und Dämme in Meliorationsgräben absenken müssen, berichtet Kehl, weil sonst die Überflutung von Ackerflächen gedroht hätte. Vor allem Landwirte neigen dazu, den Biber als Schädling zu sehen. „Er hat aber das gleiche Recht hier zu leben wie die Menschen“, unterstreicht Kehl. Für die heimische Natur sei er auf jeden Fall eine Bereicherung.

Dass Werders Insel-Biber sich an einem Damm über Havel oder Föhse versuchen würde, hält Kehl für unwahrscheinlich: Die Strecke von Ufer zu Ufer wäre zu weit. Bei der Diskussion um einen zweiten Übergang zwischen Insel und Festland für das Baumblütenfest wird der Nager den Werderanern also nicht helfen. Am nördlichen Inselufer findet er im Moment aber ideale Bedingungen: Das Wasser reicht durch die Schneeschmelze bis an die Bäume heran, der Schilfgürtel bietet gute Verstecke – obwohl die kaum nötig sind: Spaziergänger sind fast keine anzutreffen. Nur eine Frau mit angeleintem Hund ist unterwegs. Und Hans-Dieter Zinnäcker.

Gespannt späht er an den Bäumen vorbei ins Dickicht. „Meister Bockert“ will sich jedoch partout nicht sehen lassen. Nur sein Werk drängt sich ins Blickfeld. Dass die angenagten Bäume zum Problem werden, wenn sie umkippen, befürchtet Zinnäcker. Im Frühjahr werden wieder mehr Spaziergänger unterwegs sein.

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