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Potsdam-Mittelmark: Der Bildersammler

Seine Kinofilme machten Andreas Höfer bekannt. Doch der Kameramann bringt von den Filmsets auch dokumentarische Fotos mit nach Hause

Von Eva Schmid

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Stahnsdorf - Farbenfroh, laut, schmutzig, heiß: Unzählige großformatige Fotos liegen auf dem Tisch im Holzhaus von Andreas Höfer in Kienwerder. Der Unterschied zwischen bunten Bildern und grauem Himmel, dem feuchten Gras und der Stille, die das kleine Haus umgeben, könnte nicht größer sein. Gerade war der 49-jährige Kameramann Höfer noch in Indien unterwegs. Mit dabei hatte er den Fotoapparat und eine schwere Filmkamera. Zusammen mit Julia Jensch („Sophie Scholl – Die letzten Tage“) und dem Regisseur Andreas Kleinert hat er einen Film über indische Leihmütter in Kalkutta gedreht. Und nebenbei fotografiert.

Der Spielfilm soll auf Festivals gezeigt werden, danach wird ihn die ARD ausstrahlen. Der Plot nimmt ein aktuelles Thema auf: Ein deutsches Paar nimmt den Dienst einer indischen Leihmutter in Anspruch, die sich aber nicht an die Regeln hält und mit dem fremden Baby im Bauch ausbüxt. Gedreht wurde dafür in Slums und Geburtshäusern. Und von dort hat Höfer nun auch dokumentarische Fotos mitgebracht.

Er weiß nun, wie Geburten in Indien ablaufen. „Nach der Geburt werden indische Babys nackt in die Sonne gelegt“, erzählt er von den Erfahrungen am Filmset. Begeistert hat ihn, dass die Hebammen in bunten Saris rumlaufen, dass auf dem Set so viel los war: „Trotz unserer Aufnahmen ging der Betrieb dort weiter, ständig wurden Kinder geboren.“ Den Alltag aus dem Geburtshaus hat er auf matt-schimmerndes Fotopapier gebannt: wartende Mütter, Hebammen in bunten Saris, barfüßige Männer, die, den Blick nach oben gerichtet, auf ihre Frauen warten.

Auch Szenen aus Slums hat Höfer eingefangen: Ein junges Mädchen läuft dort mit einem makellos weißen Kleid durch den Dreck. Der Blick geht an der Linse vorbei. „Wenn man mit einer Filmcrew unterwegs ist, hat das den großen Vorteil, dass einen die Menschen gar nicht wahrnehmen“, sagt der gebürtige Potsdamer, der auch mehrere Filme mit Andreas Dresen gedreht hat. Die beiden haben zusammen an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg studiert. Seit 1990 drehten sie gemeinsam neun Filme, darunter „Sommer vorm Balkon“ oder den Dokumentarfilm über einen CDU-Politiker, „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“.

Die Lichter, die Kabel, die mit sich beschäftigte Filmcrew – da gebe es für Außenstehende viel zu sehen. Und bis seine Assistenten die Kamera vorbereitet hätten, verstreiche viel Zeit, besonders für einen wie Andreas Höfer: „Ich bin Bildersammler“, sagt er fast entschuldigend. Bis die drehfertige Kamera auf seiner Schulter liegt, beobachtet er die Menschen, die ihrerseits schauen, was da am Set vor sich geht. Dann zückt Höfer die Kamera und drückt auf den Auslöser.

Aus China, Polen, Litauen, Kasachstan und afrikanischen Staaten hat er Bilder in das kleine Haus nach Stahnsdorf mitgebracht. Jeder neue Dreh bringe einen Stapel Fotos mit sich. Allein von Indien hat er über 400 Abzüge gemacht. Dort faszinierten ihn die Kontraste, der Schmutz auf der Straße und die Schönheit der Menschen. „Man sieht ständig, wie sich die Inder herausputzen und waschen, dafür ist selbst das Wasser aus der Pfütze gut.“

Sein Blick durch den Sucher fängt ab und an so interessante Szenen ein, dass er statt zu fotografieren anfängt zu filmen. Der Fotoapparat gibt es her. Bei einem religiösen Fest, inmitten einer Menschenmenge, hat er Dokumentationsmaterial gesammelt. „Da wurden riesige Lehmfiguren in einer Prozession im Fluss versenkt“, erzählt der Mann mit den halblangen Haaren. Die Inder hätten sich das lehmige Wasser mit nach Hause genommen.

Er war mit Hauptdarstellern des Films unterwegs, stellte sie spontan in die Menge, filmte sie, wie sie mit den Indern feierten. „Mit dem Fotoapparat zu filmen fällt weniger auf – die Menschen denken, ich sei Tourist“, sagt Höfer. Dank moderner Technik könne das Spielfilmmaterial mit den dokumentarischen Aufnahmen zusammengeführt werden.

Höfer liebt es authentisch, zieht den Dreh auf Originalschauplätzen dem Filmatelier vor, arbeitet lieber mit der Handkamera als mit Hightech-Kränen oder Schienen. Die Handkamera wurde zu seinem Markenzeichen. Auch dem Regisseur Volker Schlöndorff hat der Stil gefallen, zusammen mit Höfer drehte er unter anderem „Die Stille nach dem Schuss“.

Zurück in Kienwerder blättert Andreas Höfer durch seine Fotos. So schön sie sind, sie bleiben meist unter Verschluss. Selten zeigt er sie in Ausstellungen. Die Fotografie ist sein Hobby, die Arbeit mit der Filmkamera sein Beruf. Er schaut aus dem Fenster, in den graubraunen Garten. Der farblose Winter hat für ihn auch etwas Gutes. Man habe Zeit, seinen Kopf wieder leer zu kriegen. Bilder zu sammeln sei anstrengend. „Nicht immer kann ich so konzentriert durch die Welt laufen.“

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