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Strikte Reihenfolge. Zuerst wird das Brot nur betrachtet, erst dann kommt der Geruchs- und schließlich der Geschmackstest. Holger Schüren muss es wissen, schließlich ist er einer der wenigen Brotsommeliers Deutschlands.

© Andreas Klaer

Brandenburgs erster Brotsommelier: Der Botschafter des Korns

Holger Schüren will das Brot wieder salonfähig machen, denn für ihn ist es mehr als nur ein Sattmacher: Zu Besuch bei Brandenburgs erstem Brotsommelier.

Von Eva Schmid

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Nuthetal - Er hält seine Nase dicht an den aufgeschnittenen Brotlaib und atmet tief ein. Holger Schüren setzt ein zweites Mal seine Nase an. Die Augen geschlossen, die Stirn leicht in Falten. Beim Ausatmen kommt es aus ihm herausgesprudelt: „Nussig, leicht süßlich, es geht sogar ins Karamellige.“ Er klopft auf die obere Brotkruste des von ihm gebackenen Vollkornbrotes. Ein einfaches, wie er sagt, aber dennoch raffiniert.

Der Nuthetaler Bäckermeister Holger Schüren ist Brandenburgs erster Brotsommelier und will das Brot wieder salonfähiger machen. Brot soll mehr sein als die Unterlage für Käse, Salami oder Aufstrich. „Es gibt über 3000 Brotsorten in Deutschland, das gerät leider immer mehr in Vergessenheit“, sagt der 47 Jahre alte Bäcker. Der Wert des Brotes sinke immer weiter, das wolle er ändern.

Acht Wochen lang hat sich Schüren in der Bundesakademie des Bäckerhandwerkes im baden-württembergischen Weinheim ausbilden lassen. Auf dem Stundenplan standen neben umfangreichen Geschmacks- und Riechtests auch Beratungen von einem Fleischer und einem Winzer, die den dreizehn Bäckermeistern aus ganz Deutschland Ideen lieferten, welcher Wein und welches Fleisch zu welchem Brot passt. Am Ende schrieb Schüren noch eine Abschlussarbeit, eine 60 Seiten lange Abhandlung über den Brandenburger Roggen.

Selbst mit der Presse spricht Schüren nun gerne

Die Mühe hat sich gelohnt, Schüren ist als einer der ersten Brotsommeliers in Deutschland in den Olymp der Bäcker aufgestiegen. War er zuvor schon in Nuthetal mit seiner Kleinen Bäckerei etabliert, hat er nun Aufwind bekommen. „Ich habe jetzt mehr Mut zum Brot.“ Soll heißen, Schüren hört nicht mehr auf zu experimentieren. Seit er im vergangenen November den Kurs zum Sommelier erfolgreich bestand, tüftelte er an Rezepten für über 40 neue Brotsorten. „Früher hätte ich eine Kombi mit Nüssen und Früchten nur zu Weihnachten gemacht, heute mache ich das auch im Sommer.“ So ein Brot passe super zu Käse und Wein. Weitere Neuheiten aus seiner Backstube sind ein Cranberry-Pfeffer-Baguette, ein Tomate-Basilikum-Frischkäse-Brot oder ein Pflaumen-Erdnuss-Brot. Seine Experimentierfreude kommt bei den Kunden gut an: „Sie sagen nicht mehr, was sie gerne hätten, sondern fragen, was es Neues gibt“, sagt Schüren und grinst. Er fühlt sich sichtlich wohl in seiner neuen Rolle als Genussbotschafter – mit großer Bäckersmütze und weißem Bäckershemd mit dezentem Stehkragen. Das Outfit zumindest erinnert an Sterneköche.

Selbst mit der Presse spricht Schüren nun gerne – auch das hat er beim Sommelierkurs gelernt. Selbstbewusst lässt er bei einem Besuch in der Bäckerei verschiedene Brotsorten verkosten. Und schult dabei gleichzeitig die Nase seines Besuchers. So ein Brottest braucht Zeit: Erst wird das Brot von außen begutachtet, auf Form und Ästhetik. Schüren dreht und wendet die kleinen Laibe vor ihm, sein Finger fährt über die Kanten. Sein Auge bleibt an den Körnern haften, die an der Brotkruste angebacken sind. Keines ist verbrannt, sehr gut. Das wäre sonst schlecht für den Geschmack.

Dann wird der Brotlaib in der Mitte durchgeschnitten, wieder darf erst nur das Auge ran. Die Beschaffenheit der Brotkrume wird unter die Lupe genommen. Schüren drückt leicht den Daumen in den Brotteig. „Federt er zurück, ist das Brot gut ausgebacken, bleibt eine Delle, ist es noch zu feucht“, erklärt der Brotsommelier. Schüren achtet auch auf kleine weiße Einschlüsse im Teig. „Ein Zeichen dafür, dass das Getreide nicht richtig verquollen ist.“ Im Mund würde man dann kleine harte Stücke, eben rohes Getreide schmecken. Auch unschön.

Aber wie beschreibt man nun den Geschmack des Brotes?

Nach dem umfassenden Geruchstest darf dann endlich probiert werden. „Wichtig ist es, immer erst nur vom Inneren zu kosten, erst beim zweiten Biss wird der Brotteig zusammen mit der Kruste probiert“, so Schüren. Die Kruste gebe noch mal viel Geschmack ab, das könne die meist sanfte Note des Brotteiges leicht überdecken.

Aber wie beschreibt man nun den Geschmack des Brotes? „Man schließt die Augen, probiert und stellt sich vor, was ähnlich schmeckt“, so Schüren. Meist seien das Geschmackserinnerungen aus der Kindheit. Sein Sesam-Nuss-Pflaumen-Brot vor ihm enthalte zum Beispiel eine Note von leicht angebranntem Milchreis, sagt der Brotsommelier. Das komme vom gerösteten Sesam. Überhaupt legt Schüren Wert darauf, dass alle Körner, die in seine Brote kommen, vorher angeröstet werden. So komme deren Geschmack besser hervor.

Am Ende der Verköstigung hat Schüren es geschafft, seine Tester zu begeistern. Brot ist tatsächlich mehr als nur Sattmacher und Unterlage für Käse und Wurst. Brot schmecke auch ohne Belag, sagt der Brotsommelier. Ein bisschen gutes Olivenöl und Salz darauf. Schüren schließt kurz die Augen, ihm entfährt ein langgezogenes „Hmmmm“.

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