
© Johanna Bergmann
Bürgersupermarkt belebt Seddins Dorfleben: Der Bürgersupermarkt
Ein kleiner Laden hat Seddins Dorfleben wiederbelebt. Trotzdem müssen die Betreiber kämpfen, nicht unterzugehen – auch weil ihr Projekt das Dorf vereint.
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Seddiner See – Eine Frau mit kurzen grauen Haaren und grasgrünen Gartenschuhen nimmt die wenigen Stufen zum Seddiner Dorfladen. „Moni, dein Kassler ist da“, ruft die Verkäuferin ihr entgegen, als die 67-Jährige den Laden in der Hauptstraße betritt. Monika Lewin wohnt neben dem Bürgersupermarkt, der vor zwei Jahren in einem verfallenen Gebäude eröffnet wurde. Früher war hier mal ein Rewe-Supermarkt gewesen. „Heute ist es hier viel persönlicher“, sagt die Rentnerin und ist froh, dass sie sich für ihren Einkauf nicht ins Auto setzen muss.
Dinge des täglichen Bedarfs - aus der Region
Verkäufer und Kunden duzen sich in dem Laden, so sei das eben auf dem Dorf, heißt es im Laden. In grünen Kisten liegt Obst und Gemüse, daneben stehen Kisten mit Getränken, in den Regalen findet man Teigwaren, Zahnpasta und Spülmittel. Das Brot kommt vom Bäcker aus Wildenbruch, die Kartoffeln von einem Landwirt aus Seddin, Eier, Erdbeeren und Spargel aus Beelitz, das Fleisch liefern Fleischer aus Salzbrunn und Stücken. „Wir haben alles, was man für den täglichen Bedarf braucht“, sagt Karl-Heinz Brügmann, einer der drei ehrenamtlichen Geschäftsführer des sogenannten DORV-Zentrums. Die Abkürzung DORV steht für den etwas sperrigen Begriff „Dienstleistungen und ortsnahe Rundum-Versorgung“. Erfunden hat das Konzept ein Gymnasiallehrer aus Nordrhein-Westfalen. Heinz Frey lebt in einem Dorf mit rund 1300 Einwohnern, ähnlich groß wie Seddin. Er wollte eigentlich nur seinen Ort Barmen – ein Stadtteil von Jülich – retten. Ältere Menschen sollten ohne fremde Hilfe einkaufen gehen können, die Jungen sollten nicht wegziehen, nur weil man im Ort nichts mehr machen konnte. Frey gilt als der Retter der Tante-Emma-Läden – sein Modell, das auch in Seddin angewendet wird, soll die ländliche Nahversorgung erhalten. Ein Laden, in dem man alles erledigen kann, das ist die Idee: Neben dem Einkauf kann man Post und Pakete abgeben oder abholen, wer Bargeld braucht, kann von seinem Konto Geld abheben lassen und nicht zuletzt ist der Dorfladen ein Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft.
Das gilt auch für Seddin – neben dem kleinen Kaufladen ist ein heller Raum mit großer Gläserfront zum Seddiner See, das Café Seeblick. In einer Ecke des Cafés gibt es eine kleine Bibliothek. „Hier gilt das Prinzip Bring ein Buch – nimm ein Buch“, erklärt Michael Schmidt, der neben Brügmann zu den Verantwortlichen des Projekts gehört. Schmidt kümmert sich um das kulturelle Leben, das neben dem Kaufladen besteht, Brügmann um die Finanzen und den Laden. „Wir haben das DORV-Konzept erweitert, um ein kulturelles und sportliches Angebot“, so Schmidt. In einem hinteren, recht geräumigen Raum finden unter der Woche Veranstaltungen statt. Ob Seniorensport, Yoga, Chor, Theater oder aktuell die Übertragung der EM-Fußballspiele – das Leben in Seddin spielt sich in der Hauptstraße ab. Um das gemeindeeigene Grundstück herum wurde ein bunter Garten gepflanzt, mit Sportgeräten für Senioren, angelegt wurden auch zwei Boule-Plätze.
Seddiner sind Teilhaber
Brügmann und Schmidt schauen sich an, nachdem sie gefragt werden, ob sie denn zufrieden sind, so wie es bisher läuft? Euphorisch sind die beiden gestartet, sie hatten erst eine Bürgerinitiative gegründet, später einen Verein, dann den Rathauschef und die Gemeindevertreter mit ins Boot geholt und zum Start des Projektes rund 150 Seddiner von dem Vorhaben überzeugt, dass sie Teilhaber der Gesellschaft wurden, Anteile kauften und innerhalb von zwei Monaten ein Startkapital von 50000 Euro zusammenkam.
„Wir sind auf dem Weg in die richtige Richtung“, sagt Brügmann. So wirklich rund laufe es noch nicht, man müsse um die Kunden kämpfen. Brügmann will nicht über Finanzen reden. Aber man ahnt, dass die schwarze Null noch nicht erreicht ist. „Die Prognosen gingen ja davon aus, dass das hier ein Selbstläufer wird.“
„Wir sind mit der harten Wirklichkeit konfrontiert worden“
Unterstützt von dem Gründer der DORV-Idee, Heinz Frey, haben Brügmann und Schmidt im Vorfeld die Seddiner zu ihrem Einkaufsverhalten gefragt, auch ob sie bereit wären, es zu ändern, wenn es im Dorf einen Nahversorger geben würde. Damals sei man von 200 Kunden pro Tag ausgegangen, sagt Schmidt. Tatsächlich würden aber nur 130 kommen. „Wir sind mit der harten Wirklichkeit konfrontiert worden.“
Vor zwei Monaten wurde ein Marktleiter neu eingestellt, auf ihn setzen die beiden nun ihre Hoffnung. Laut Schmidt habe der Mann früher einen Berliner Kaisers-Markt geleitet, jetzt soll er stärker auf die Kundenwünsche in Seddin eingehen und sein Wissen im Dorfladen einbringen. Auch wenn es noch nicht optimal laufe, sei man froh, überhaupt so lange durchgehalten zu haben. „Das hätten uns viele anfangs nicht zugetraut“, so Brügmann. Er und Schmidt sind davon überzeugt, dass für Zuzügler, die in den letzten zwei Jahren nach Seddin und Kähnsdorf gezogen sind, der kleine Dorfladen mit seinem Café auch ein Kriterium für ihren Umzug waren. „Für uns war es damals der Rewe, als wir herzogen“, so Brügmann.
Einkauf direkt vor Ort
Das Projekt funktioniere auch deshalb, weil der Dorfladen und das angrenzende Café sowie die weiteren Kultur- und Sportangebote sich so gut ergänzen würden. „Wenn wir Veranstaltungen hier haben, dann wird im Café das konsumiert, was es im Laden gibt“, so Schmidt. Viele der Besucher würden die Gelegenheit auch nutzen, um noch schnell ihren Einkauf direkt vor Ort zu erledigen. „Und dann wird ihnen bei der Gelegenheit wieder klar, dass wir mitten im Ort so einen Laden haben.“
Das weiß auch Monika Lewin zu schätzen: In dem kleinen Bürgersupermarkt an der Hauptstraße geht es nicht nur ums Einkaufen, hier kommt das Dorf zusammen, hier trifft man sich – „der Ärger war groß, als Rewe zumachte, jetzt müssen wir sehen, dass wir das hier erhalten.“
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