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NACHWUCHS: „Der Dörferkrieg muss aufhören“

Die Nuthetaler Jungpolitiker über die Ziele ihrer Arbeit, DVU-Wähler und Vorurteile gegen die Jugend

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NACHWUCHSDie Nuthetaler Jungpolitiker über die Ziele ihrer Arbeit, DVU-Wähler und Vorurteile gegen die Jugend Sie wollen die Interessen der Jugend in der Politik vertreten. Sind die bisher vergessen worden? JULIANE: Da gab es bisher einfach keine Kommunikation. Die Gemeinde hat nicht gefragt, wir haben keine Forderungen gestellt. TOBIAS: Besonders in den kleinen Orten hat die Jugend keine Lobby. In Tremsdorf müssen wir zum Beispiel was tun. ENRICO: Die haben doch das Feuerwehrhaus und den Gemeindesaal. Könnte man da nicht was draus machen? JULIANE: Da haben wir schon unser erstes Projekt. ENRICO: Aber wir müssen erst mal nachfragen, ob da überhaupt Interesse besteht. Was wollen Sie noch erreichen? ENRICO: Der Dörferkrieg muss endlich aufhören. Das wäre mein Ziel. Man könnte zum Beispiel ein großes Event für ganz Nuthetal veranstalten, bevor man sich nachts auf der Straße trifft und sich die Schädel einschlägt. Auf jedem Dorffest gibt es mindestens eine Schlägerei. Kann man das über den Sozialausschuss erreichen? ENRICO: Ja, schon. Da müssen viele mitmachen. Zurzeit schotten sich viele noch ab. Das geht Ortsteil gegen Ortsteil. JULIANE: Es gibt noch mehr Dinge, die man anbieten könnte für die jungen Leute aus allen Ortsteilen, zum Beispiel Aufklärung über Drogen. Oder politische Themen wie Wahlen oder Rechtsextremismus. Wie erreichen Sie die Jugendlichen? JULIANE: Wir müssen hin in alle Ortsteile, Flyer verteilen, Plakate aufhängen. Sportveranstaltungen organisieren oder mal ein Live-Konzert, um die Leute zusammenzukriegen. Dann zeigt sich auch, wer Lust hat, mehr zusammen zu machen, zum Beispiel im Jugendparlament. ENRICO: Ich finde es auch gut, wenn junge Leute bei dem Denkmal für die Zwangsarbeiterlager mitmachen. Wenn man an die Ergebnisse unserer Jugendwahl „Mach“s mit 16“ denkt, wo so viele die DVU gewählt haben – die sind meiner Meinung nach einfach nicht richtig aufgeklärt worden. Der Zweite Weltkrieg wird erst in der 10. Klasse behandelt. TOBIAS: Deshalb würde ich auch nie die Idee unterstützen, dass man mit 16 schon wählen darf. ENRICO: Ich auch nicht. JULIANE: Die Leute, die da mitgemacht haben, kenne ich. Deshalb war ich über das Ergebnis sehr erschrocken. Ich dachte, die wären vernünftiger. Wenn es Wahlrecht für 16-Jährige gäbe, weiß ich nicht, ob ich wählen gehen würde. Ehrlich gesagt habe ich von Politik nicht wirklich Ahnung. Geht das den andern auch so? ENRICO: Mir geht es ähnlich. Die erzählen alle nur, aber machen tut keiner was. TOBIAS: Ich glaube, es ist normal dass junge Leute sich zu radikalen Parteien hingezogen fühlen. Irgendwann kommt dann eine Wende, wer vorher rechts war, ist plötzlich links. Alarmierend ist, wenn du mit 30 immer noch DVU wählst. Aber mit 16 – ich glaube nicht. ENRICO: Mit Politik hat das nicht viel zu tun. Wir hatten das in der Schule, dass irgendwann Bomberjacken auftauchten, und dann Springerstiefel. Aber die Leute waren nicht unbedingt rechts orientiert, das war eher eine Modeerscheinung. INA: Die finden das cool, wenn sie der Meinung sind, sie sind rechts. Und dann wählen sie eben DVU. TOBIAS: Man darf bei der ganzen Diskussion auch nicht die Parteien wie DKP oder PDS vergessen. Die sind auch radikal. Aber sicher nicht ausländerfeindlich ... TOBIAS: Aber die sind gegen die Verfassung, wenn sie für den Sozialismus sind. Hier in Rehbrücke hat die PDS eine starke Fraktion, die Ortsbürgermeisterin ist in der PDS. Wie sehen Sie das? TOBIAS: Ich glaube, in der Kommunalpolitik spielen die Parteien eine nicht so große Rolle, es geht hier mehr um die Sache. Wir haben ja auch gesagt, dass wir parteilos bleiben wollen. ENRICO: Die Gemeindevertreter sind für mich normale Leute, keine Politiker. Und kann sich einer von Ihnen vorstellen, später mal eine politische Karriere einzuschlagen? JULIANE: Als Einzelperson hat man in der Politik keine Chance, in einer Partei schon gar nicht. INA: Man sieht ja, wie die Parteien geliebt werden. Es gibt die Idee, dass Jugendliche auch in andere Ausschüsse gehen könnten. Die Gemeindevertreter haben aber Zweifel, dass sich da jemand findet. INA: Es gibt schon welche. Für den Ordnungsausschuss haben sich inzwischen zwei gemeldet. Der Leiter des Ausschusses denkt auch an das Thema Graffiti INA: Jugendliche können vielleicht eher rausbekommen, wer es war. Ich finde es besser, das dann auch zu sagen, als dass alle Jugendlichen unter Verdacht stehen. ENRICO: Das Misstrauen würde ich gern abbauen. Das trifft vor allem diejenigen, die in keinem Verein sind. Wer mal an der Bushaltestelle rumhängt, statt in die Feuerwehr zu gehen, wird gleich schief angeschaut. JULIANE: Wir werden mal zu den Treffpunkten hingehen und die jungen Leute fragen, wer noch Interesse hat, in einen Ausschuss zu gehen. TOBIAS: In Saarmund haben Jugendliche ihren eigenen Beachvolleyballplatz gebaut. Ich glaube nicht, dass das Endvierziger geschafft hätten. Das Gespräch führte Volker Eckert Die Nuthetaler Politik macht zurzeit eine Verjüngunskur durch. Beim Sozialausschuss haben in dieser Woche erstmals Ina Stiller und Enrico Kröhling mit am Tisch gesessen. Zusammen mit Norbert Schröder und Juliane Ebersbach wollen sie sich künftig als Sachkundige Einwohner für die Interessen der Jugend in der Gemeinde einsetzen. Um das möglich zu machen, hat die Gemeindevertretung eigens die Hauptsatzung geändert. Und das ist erst der Anfang. Nun stehen schon die andern Ausschüsse Schlange, als nächstes könnte der für Ordnung und Sicherheit jugendlichen Zuwachs bekommen. Parallel arbeiten die jungen Leute am Aufbau eines Jugendparlaments. Mitstreiter werden noch gesucht. eck

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