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KulTOUR: Der Elch auf der Düne

Neue Ausstellung der Havelländischen Malerkolonie mit Blick auf die Kurische Nehrung

Stand:

Schwielowsee - Bevor Ferch zu seiner Berühmtheit kam, war es ein abgelegenes, ärmliches Fischerkaff. Künstler wie Karl Hagemeister, Carl Schuch und Nachfolgende machten es zu dem, was es heute ist, ein „Malerdorf“ mit weitreichenden Verbindungen. Die neue, sehr empfehlenswerte Ausstellung im Fercher Museum der Havelländischen Malerkolonie zeigt nun, dass es anderswo genauso ablief: Ein abgelegenes, ärmliches Fischerdorf zwischen Sand und Meer um die Mitte des 19. Jahrhunderts, bis die Künstler aus der nahe gelegenen Metropole und von anderswo kamen und dem Flecken als „Künstlerkolonie“ zu großer Berühmtheit verhalfen. Die Rede ist von Nidden, an der Haffseite der Kurischen Nehrung in Ostpreußen gelegen.

Genau wie Ferch wurden Land und Leute dieser abgelegenen Gegend auch im heute litauischen Nida durch exkursierende Kunststudenten entdeckt. Lovis Corinth, Max Pechstein und Siegward Sprotte waren vielleicht die namhaftesten. Der eigentliche Reiz dieser wunderbaren Exposition liegt aber darin, dass etliche „Havelländer“ wie etwa Theo von Brockhusen, Oskar Moll, Hans-Otto Gehricke oder Georg Lehmann-Fahrwasser in Ferch als auch in Nidden („preußische Sahara“) gemalt haben. Beide Orte verbindet heute die Mitgliedschaft in der „EuroArt“, welche die alten Künstlerkolonien von Worpswede über Schwaan bis nach Nidden in ein aktives Netzwerk einflicht.

Ohne Bernd Schimpke, Sammler von Kunst aus Nidden seit gut zwanzig Jahren, wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen. Was im Kossätenhaus an Veduten und Landschaftsbildern gezeigt wird, ist ja auch nur ein Ausschnitt aus der noch weitgehend unbekannten Fülle, man hat sich ungefähr auf die drei ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts festgelegt. Dafür stehen Namen wie Carl Cnauf, Paul Dresneck, Karl Eulenstein und Hans Kallmeyer, der den fast surrealen „Elch auf der Düne“ erschuf. Corinth und Pechstein sind auch vertreten. Sie alle schärfen des einen Kunstsinn, des anderen Erinnerung: Eine anschaulichere Möglichkeit, sich mit der Vergangenheit am „Grabschen Haken“, mit der „Sandakademie“ beim Gasthof Blode vertraut zu machen, findet man wohl breit oder weit nimmermehr.

Das Interesse ist groß – alein an einem Wochenende kamen 220 Besucher ins Fercher Künstler-Museum. Der Verein um Helga Martins und Jelena Jamaikina hat ja in den zehn Jahren seines Bestehens mit wachsender Akzeptanz genauso viele Ausstellungen auf die Beine gestellt und damit eine Vielzahl von Besuchern aus Nah und Fern erreicht. Am vergangenen Wochenende galt es, dem 20 000. Besucher zu gratulieren. Begrüßt wurden zwei Brüder und ihre Ehefrauen – Hannelore Siek aus Neuenhagen bei Berlin erhielt einen Blumenstrauß und ein Buch über die „Havelländische Malerkolonie“. Bei der Unterhaltung ergab es sich, dass einer der längst pensionierten Brüder in Geltow geboren, das zweite Paar in Ferch geheiratet und Erich Siek in den dreißiger Jahren hier seine Radtouren gemacht hatte, ein frisch gekauftes „Achtel“ Schinken im Gepäck. So wurde das Kossätenhaus samt Elch und frühmorgendlichen Kurenkähnen nicht einfach nur bildsam, sondern auch richtig gesprächig.

Ausstellung im Kossätenhaus noch bis zum 15. Juli jeweils Mi. - So. 11 - 17 Uhr

Gerold Paul

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