Potsdam-Mittelmark: Der Gemüse-Pionier bricht auf
Der Garten in Krielow soll bleiben, aber sein Berliner Restaurant „Margaux“ am Brandenburger Tor will Spitzenkoch Michael Hoffmann schließen, um neue Projekte zu starten
Stand:
Groß Kreutz / Berlin - Die gute Nachricht zuerst. Den großen Gemüsegarten in Krielow bei Groß Kreutz wird Spitzenkoch Michael Hoffmann behalten. Dort züchtet er historische Gemüsesorten, die es anderswo nicht gibt. Und nun die schlechte Nachricht: Vom kommenden Frühjahr an wird man sie nicht mehr, zum Beispiel in einer Gemüsesuppe nach Hildegard von Bingen, am Brandenburger Tor probieren können. Nach 14 Jahren schließt er das vielfach ausgezeichnete Sterne-Restaurant „Margaux“. Zeit für Veränderung. „Berlin hat sich verändert, und die Sterne-Küche ist eine andere als vor 15 Jahren.“
In diesen Jahren hat sich der gebürtige Hesse zum Vorreiter einer verantwortungsbewussten, nachhaltigen Küche emporgeschwungen. Während andere sich der Molekularküche verschrieben und dem Spiel mit Konsistenzen und Aromen, blieb Hoffmann der regionalen Küche konsequent treu. Er entwickelte seine Kräuterküche zur fortgeschrittenen Gemüseküche mit Kost aus dem eigenen Garten. Umstrittene Produkte wie Thunfisch und „Foie Gras“, die viele Sterne-Anwärter wie ein Pflichtprogramm auf der Karte behalten, kamen ihm nicht mehr unters Messer. Stattdessen setzte er auf „Kandierte Aubergine“ mit gebratenen Mangoldstielen oder Szegediner Kohl mit gegrilltem Zwiebellauch und Lauchasche.
Gut möglich, dass er aus dem feinen, auf den Geschmack von Prestige-Essern abgestimmten Ambiente des Margaux herausgewachsen ist. Nach dreißig Jahren in der Kochjacke sucht er auch einen Weg mit mehr Freiräumen. Dass er beratend sein wird, dementiert er nicht. Nach seiner Überzeugung hat sich die Zielsetzung der feinen Küche verändert, wird künftig nicht mehr so streng an den Michelin-Sternen orientiert sein. Der Verantwortung gegenüber der Umwelt ist er sich immer stärker bewusst geworden. Aus der Öffentlichkeit verschwinden will er freilich nicht. „Man wird mich in Berlin auch künftig sehen, hören und schmecken können.“
Seine Frau und Restaurantleiterin Kathrin Hoffmann deutete gestern an, dass es schon früher mal Pläne zum konzeptionellen Neubeginn gegeben habe. Zu Details wollten sich Hoffmanns zwar nicht äußern, um Gesprächen, die in den nächsten Wochen zu führen sind, nicht vorzugreifen. Aber an Möglichkeiten mangelt es dem kreativen Paar nicht. Hoffmann, der unter anderem bei Eckart Witzigmann in München lernte, hat unter anderem mit neuen Einweck-Methoden experimentiert, um auch im Winter mit Produkten aus dem Garten an der Bahnstrecke in Krielow arbeiten zu können.
Dort wachsen viele Kräuter und seine Erdmandeln, zehn Tomatensorten, rote Helmbohnen, vier alte Spinatsorten, diverse Karotten, Sauerampfer oder Minifenchel. Derzeit ist Hochsaison. Rund 5000 bis 6000 Konserven bringen die Produkte des Gartens hervor. Gerade arbeitet Hoffmann an einem Standardwerk zur Gemüseküche, hat viel zur Kräuterküche publiziert.
„Koch und Gärtner“ nennt er sich schon seit Jahren, ungewöhnliche Projekte, die man nicht unbedingt mit einem Sternekoch in Verbindung bringen würde, sind sein Markenzeichen. „Trust in Taste – Kochbuch für Blinde und Sehende“ gehört ebenso dazu wie eine Aktion im Rahmen des „Kulinarischen Kinos“ der Berlinale. Dabei kochte er mit Schülern ein Gourmetmenü aus Spenden für die Berliner Tafel, um dem Film „Taste the Waste“ Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Der 45-Jährige kam im Jahr 2000 nach Berlin und war am Aufbau des überregional bekannten „Margaux“ beteiligt, drei Jahre später wurde er Inhaber. Er hat einen „Michelin“-Stern und bekam zuletzt vom „Gault Millau“ 18 Punkte.
Vielleicht ist ihm die Sterne-Küche einfach zu eng geworden mit ihrem hohen Aufwand und den seit Langem eingefahrenen Ritualen. (mit hkx)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: