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Potsdam-Mittelmark: „Der Gipfel des Miteinanders“

Die Gewerbeflächen im Ortszentrum Geltow stehen leer – dabei gibt es eine Vielzahl von Interessenten

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Schwielowsee · Geltow - „Das moderne Gesicht des Ortes“, so wird das Geltower Ortszentrum im Internetauftritt der Gemeinde Schwielowsee bezeichnet. Eine Gaststätte, ein Fahrradverleih und ein Tante-Emma-Laden werben mit großen Schildern über den großzügig bemessenen Ladenflächen, die einem sozialen Wohnquartier mit etwa 100 Wohnungen vorgelagert sind. Doch die Geschäfte stehen durchweg leer, der Spielplatz macht einen verwaisten Eindruck und die zwei Meter hohe Fontäne des Springbrunnens plätschert seit Jahren nicht mehr. „Eine Grottenhöhle“, sagt Horst Geßwein.

In seiner Zeit als Geltower Bürgermeister wurde das Ortszentrum 1998 errichtet, viele Hoffnungen waren damit verbunden. Heute schüttelt Geßwein den Kopf: „Unser Jugendklub haust in einer Baracke, die Senioren fahren zur Weihnachtsfeier nach Jüterbog und die Kegelbahn ist ein einziges Provisorium.“ Währenddessen würden die Flächen im Ortszentrum „vor sich hinrotten“. Als voriges Jahr dann der letzte einer ganzen Reihe von Gaststättenpächtern seine Rechnungen nicht bezahlte, war es auch mit dem Restaurantbereich und Saal vorbei.

Dabei müsste der Leerstand nicht sein: Nach der Pleite des Pächters hatte sich für den früheren „Börsianer“ schnell ein neuer Interessent angemeldet: Matthias Rülker, Betreiber des Sportcasinos in Werder (Havel). Die Mietforderungen waren in Ordnung, sagt er – etwa 1500 Euro für über 600 Quadratmeter. „Wir hatten uns auch in den anderen Vertragsmodalitäten geeinigt“, erinnert sich Rülker. Ein gutes Konzept habe er gehabt. Kontakte in Geltow bestanden schon, weil Rülker hier als Caterer von Vereins- und Familienfeiern tätig ist. Doch dann wollten die Verwalter eine Bürgschaft von ihm haben. „Keine Bank gibt einem Gastronomen eine Bürgschaft. Ich kann mir ohnehin keine Fehltritte erlauben, man kennt mich doch hier überall.“

Eine Idee für den 800 Quadratmeter großen, seit Jahren leerstehenden Tante-Emma-Laden war ein Kunstauktionshaus, eine zweite vor zwei Jahren ein Ausbildungszentrum für benachteiligte Jugendliche. Der Verein „Historische Fahrzeuge Berlin und Brandenburg Selbsthilfe“ wollte hier tätig werden. Das Ausbildungszentrum, in dem Jugendliche an Oldtimern basteln, besteht nun an anderer Stelle in Geltow und Berlin. „Wir mussten sogar noch eine kleinere Fläche im Bürohaus des Ortszentrums verlassen“, sagt Vereinschef Manfred Balk. Ironie des Schicksals: Als früherer Finanzvorstand der „Verka Kirchliche Pensionskasse VVaG“ war Balk selbst am Bau des Ortszentrums beteiligt.

Die Verhältnisse sind kompliziert geworden: Die Verka war Bauherr und Eigentümer, bevor vor fünf Jahren die komplette Anlage an die Oppenheim Immobilien Kapitalanlagen GmbH in Wiesbaden übertragen wurde. Der von der Privatbank-Tochter gegründete Immobilienfonds wurde dann wieder von der Verka zurückgekauft. Die Verka wollte den Verwaltungsaufwand los sein, blieb aber wirtschaftlicher Eigentümer. Die Oppenheim steht heute derweil als Verwalter in der Verantwortung und kassiert dafür ordentliche Gebühren. Die frühere Verka-Tochter MVG, die das Ortszentrum direkt vor Ort betrieben und vermarktet hatte, wurde durch Oppenheim vor drei Jahren an die Luft gesetzt.

In Wiesbaden heißt die einzige, als kompetent benannte Ansprechpartnerin Andrea Riedrich. Eines Tages ist sie – nach zahllosen Anrufen – am Telefon. Es gefällt ihr nicht, was sie da hört. „Sie können davon ausgehen, dass wir sehr interessiert sind, den Leerstand abzubauen“, sagt sie. „Aber an wen wir vermieten, behalten wir uns vor.“ Mietrückstände würden schließlich nicht durch einen Herrn Geßwein beglichen. Sobald es aber um Details geht, die geforderte Bürgschaft für Kneiper Rülker zum Beispiel, sagt Frau Riedrich zwar, dass das nicht stimmt, will aber keine Auskunft geben, wie es wirklich war und droht stattdessen unverhohlen mit Reaktionen. Nach drei Minuten erklärt sie das Gespräch für beendet und legt auf.

Dabei war es gar nicht so einfach, überhaupt den Kontakt zu bekommen: Acht Wochen Zeit muss man sich schon nehmen, um Andrea Riedrich ans Telefon zu bekommen. Sie ist im Urlaub, auf einer Sitzung, krank. Sie ruft, so verspricht es ein Kollege mehrmals, zurück, wenn sie wieder da ist. Frau Riedrich ruft nicht zurück.

Ähnliche Erfahrungen hat die Bürgermeisterin von Schwielowsee, Kerstin Hoppe (CDU), gemacht. Die Bemühungen der Gemeinde um das Problem sind vielschichtig. „Mein erster Impuls nach meinem Amtsantritt war, das Ortszentrum in die Route des Fahrradsonntags einzubeziehen“, erinnert sich Hoppe. Dabei ist es nicht geblieben: Die Bürgermeisterin versuchte vor über drei Jahren auch, den einstigen Tante-Emma-Laden mit dem Geltower Jugendklub zu beleben, der immer noch in einer Abrissbaracke haust und für den nun ein Neubau innerhalb des geplanten Sport- und Bürgerzentrums vorgesehen ist. Dass das damalige Anmietangebot nicht beantwortet wurde, konnte Hoppe noch verstehen. „Es gab wohl Vorbehalte gegen eine solche Nutzung.“

Unklar ist ihr allerdings, warum es auch beim zweiten kommunalen Angebot nicht einmal zu Mietverhandlungen kam: Als vor einem Jahr die Diskussion über einen neuen Geltower Kita-Standort begann, war für die Bürgermeisterin der leerstehende Börsianer der Favorit. „Es hätte drinnen und draußen reichlich Spielflächen gegeben. Eine Küche ist auch da. Und wir hätten den Restaurant-Saal vielleicht weiter für öffentliche Veranstaltungen und die Geltower Volkssolidarität nutzen können.“

Briefe hat sie geschrieben, die Planungsunterlagen angefordert, um Mietangebote gebeten – der letzte Brief wurde im November 2006 abgeschickt. Im Januar 2007 dann die einzige Reaktion aus Wiesbaden: „Wir bedauern, dass es zu Kommunikationsschwierigkeiten gekommen ist.“ Wenn die Gemeinde zwischenzeitlich einen anderen Interessenten nachweisen könne, stehe man für Gespräche zur Verfügung. „Das ist der Gipfel des Miteinanders“, sagt Hoppe.

Sie fragt sich, ob es geeignetere Bewerber als die öffentliche Hand geben kann, auf wen die Oppenheim wartet? Inzwischen hat die Gemeinde einen anderen, weniger ruhig gelegenen Kita-Standort zwischen Schule, Feuerwehr und Supermarkt gefunden. Der Stillstand im Geltower Ortszentrum wurmt die Bürgermeisterin derweil weiter. „Das ist ein enormer Imageschaden für die Gemeinde. Man müsste dafür Schadensersatzansprüche stellen können.“

So ähnlich denkt Ex-Bürgermeister Horst Geßwein, der heute für das Bürgerbündnis Schwielowsee in der Gemeindevertretung und für den Bauernverband im Kreistag sitzt. In diesen Funktionen lud er die Vertreter der Oppenheim Immobilien auch zu einem Ortstermin mit der Presse ein – keine Überraschung, das niemand die Reise aus Hessen an den fernen Schwielowsee angetreten hat.

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