Potsdam-Mittelmark: Der Glanz des Alltäglichen
Der Kleinmachnower Maler Fridolin Frenzel wird heute 75 Jahre alt– in seinen Arbeiten mag er es direkt und knapp
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Der Kleinmachnower Maler Fridolin Frenzel wird heute 75 Jahre alt– in seinen Arbeiten mag er es direkt und knapp Kleinmachnow – Jedes Bild, das Fridolin Frenzel malt, wird von ihm “zig Mal verworfen und zerstört, um es wieder neu entstehen zu lassen. Dennoch ist das Werk des Kleinmachnower Malers, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, so umfangreich, dass man getrost den Hut ziehen darf. Er selbst hat keinen und in seinen Augen blitzt der Schalk, wenn er einräumt, dass eigentlich erst ein Hut aus ihm einen richtigen Künstler machen würde. Stattdessen überlässt er solche Kennzeichen lieber anderen Kollegen, hüllt sich selbst in Jeans und blaue Baumwollhemden – ein von Zeiterosion und Anfechtung unberührter bodenständiger Mann, der immer seltener dort anzutreffen ist, wo Kunstbetrieb viele Leute versammelt. Wer ihm also begegnen will, muss zu ihm in sein Kleinmachnower Atelierhaus kommen. Besuchern zeigt er dann nicht nur seine Bilder und bietet ihnen Tee an, sondern gibt auch gern seine Lebens- und Kunstmeinungen weiter, meist verpackt in kuriosen Anekdoten. Denn von interpretierenden Festlegungen hält er sich zurück, weil auch in der Kunst nur eins zählt: was man nicht erklären kann (George Braque). So erzählt Frenzel gern, dass Kunst etwas mit Zauberei zu tun habe und natürlich gibt es dazu gleich eine seiner Geschichten. Als 15-Jähriger malte er mit dem Weimarer Maler Eberhard Steneberg Kulissen für ein Tanztheater. Ihre Arbeitsmittel ein Jahr nach dem Krieg waren bescheiden. Mit einem Besen tupften sie damals grüne Farbe auf den Bühnenhintergrund. Wenn man ganz dicht davor stand, waren es nur ein paar Balkenstriche, aber vom Zuschauerraum aus sah man staunend auf einen Tannenwald. Verknappung und Direktheit kennzeichnen Frenzels Arbeiten noch heute. Personen und Dinge werden auf wenige Flächen beschränkt, Umrisse vereinfacht, und manchmal scheint sich die Farbe ins Atmosphärische aufzulösen. Die Farben selbst reduziert er ebenso auf wenige Töne, um der Psyche der Figuren näher zu kommen. So fordert er den Betrachter auf, Alltägliches neu zu sehen und beim eindringlichen Schauen das Geheimnis der sichtbaren Wirklichkeit aufzuspüren. Fridolin Frenzel, 1930 in Hopfgarten bei Weimar geboren, entfloh in den 50er Jahren noch rechtzeitig der unseligen Formalismusdebatte an der Weimarer Kunsthochschule. Nachfolgende Stationen waren Krefeld mit Studium bei Georg Muche, danach Frankfurt am Main und ab 1962 ein Bauernhaus in Oberbayern. Der ländlichen Idylle folgten ab 1975 wechselnde Ateliers in Berlin. Kennzeichnend für seine Berliner Stadtarbeiten sind kurze nervöse Striche, die einem gekreuzten und parallelen Netzwerk gleichen. Wenn er beim Zeichnen mit Graphitkreide Striche übers Blatt schleudert, ist dabei zunehmend ein Klopfen zu vernehmen. Manchmal scheint es gar ein wütendes Klopfen, das die Tischplatte darunter erbeben lässt. Dieses Abarbeiten gleicht einer Zeremonie, inspiriert von den Wurzeln der Dinge. Dem Künstler verschafft sie Klarheit und für den Betrachter sind Frenzels Produktionen ein Dialogangebot. „Kunst ist vor allem Zuwendung“, sagt er, weil sie verhindert, einzufrieren und erdrückt zu werden von einem Panzer des Vertrauten, Normalen und Zweckvollen. Sich öffnen, sich ansprechen lassen und arbeiten, damit der Glanz der alltäglichen Dinge nicht verloren geht – das ist Frenzels Devise. Die Zensuren geben dann sowieso andere. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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