Potsdam-Mittelmark: Der Himmel über der Havel
Über Petzows neuen Wasserflieger gab es viel Aufregung – bis Ende September kann man ausprobieren, was es damit auf sich hat
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Über Petzows neuen Wasserflieger gab es viel Aufregung – bis Ende September kann man ausprobieren, was es damit auf sich hat Von Henry Klix Werder/Potsdam - Rot ist ein Hingucker, bei Fotografen ist das eine Binsenweisheit. Auf Urlaubsbildern ohne rot, wirkt alles grau in grau. Englischer Rasen, weiße Fassaden, blaue Dächer – dem Petzower Ferienresort fehlt Rot für Ferienlaune. 12 Uhr die Erlösung: Ein rotes Wasserflugzeug propellert durch die Wolken, schwirrt über den Franzensberg und platscht in den Schwielowsee. Dicke Kajütboote in der Marina spielen mit ihren Muskeln, verwegen tänzelt das Flugzeug heran. Mit Enterhaken zieht es der Hafenmeister an den Steg. Ein junges Paar aus Brandenburg (Havel) steigt aus – er schenkte ihr den Flug von Treptow nach Petzow zum Geburtstag. Bis 14.30 Uhr Lunch im „Ernest“ ist inklusive – in der Zeit dazwischen bietet die Air Service Berlin bis Ende September Rundflüge für andere Passagiere an – über Potsdam, Werder und dem Havelland, eine halbe Stunde für 118 Euro pro Passagier. Bei der anschwellenden Zahl von Abstürzen in die Cessna zu steigen, ist nicht ohne. Doch Pilot Gerd Gebhardt strahlt Gelassenheit aus, Schwimmwesten gibt es auch. Der Nasen-Propeller schwirrt wieder los, am Ufer werden Kameras gezückt. Zum Ausgangspunkt der 350 Meter langen Startbahn geht“s im Ruderbootempo, dann dreht der Pilot auf. Die Schwimmer schneiden durchs Wasser, es bleibt kaum Zeit für Angst. 70 Kilometer pro Stunde reichen für den Auftrieb, es schwimmt nicht nur – es fliegt. Schwielowsee, Plessower See und Zernsee lösen sich unter dem Horizont und scheinen eine fast geschlossene Wasserfläche zu bilden, im Wasserflugzeug fühlt man sich wohl. Einladend ist das Wasser nicht, aber Algen haben auch was: Bootskörper zerteilen dicke Schlieren. In Havelbuchten wird das Grün satt, als wenn ein zweites Mal gepinselt wurde. Der Haussee bildet einen braunen Kontrast. Das Wasser hat noch eine dritte Farbe, der Glindowsee ist anthrazit. Am Ufer sieht man Sand durchs Wasser blitzen. So sieht“s ohne Berliner Klärwässer aus. Aus Berlin kommt nicht nur Ungemach: Seit 1997 liegt das Wasserflugzeug im Treptower Hafen. Anfangs hatte es Ängste wegen des Lärms gegeben, sagt Gebhard. „Jetzt gehen die Leute auf den Balkon, wenn wir starten.“ So laut wie befürchtet sei der Flieger auch in Petzow nicht. Am Himmel brummt er wie eine Hummel. Drin ist es zu aufregend, um etwas davon mitzubekommen. Werders Insel hat auch aus 600 Metern Höhe Schauwert. Zwischen Markt und Heilig-Geist-Kirche ducken und strecken sich rotbemützte Bauten. Auf der anderen Zernseeseite wischen Töplitz und Golm dahin, bevor Potsdam den ersten Trumpf ausspielt: das Neue Palais. Das Wegenetz von Sanssouci fädelt sich durch Rasenflächen und Solitäre, die Weinterrassen markieren das Schloss. Die Hochhäuser an der Neustädter Havelbucht schieben einen Riegel in der Dächerlandschaft. Neuer Garten, Heiliger See und Berliner Vorstadt bilden die Dreisamkeit des alten Potsdams. Die Cessna ist eines von drei Wasserflugzeugen in Deutschland. Hubschrauber, Rosinenbomber und Ballons sind außerdem in der Flotte des größten Berliner Rundflugunternehmens. Mit dem Wasserflugzeug gibt es regelmäßig Flüge nach Warnemünde, das Petzower Angebot ist neu. Die erste Landung voriges Jahr führte noch zu Aufregung. Das hat sich gelegt, sagt Gebhardt. Nach der zweiten Flugsaison mit Ausnahmegenehmigung hat die Air Service ab nächstes Jahr beantragt, den Betrieb dauerhaft zu bewilligen. Wenn der Flieger bei Tempo 200 eine Kurve dreht, schiebt sich ein Flügel ins Panorama. Havelbrücken fädeln sich in Potsdams Innenstadt, Havelarme durch die City. Jungfernsee, Tiefer See, Hinterkappe – die Stadt wirkt wie ins Wasser gefallen. Potsdam ist voller Notlandebahnen. Nur zwischen Pirschheide und Geltow wird es eng. Gebhardt ist ungerührt. Nach dem Wildpark blinken schon die Segel auf dem Schwielowsee. Das Petzower Resort gleicht einer aufgeräumten Puppenstube. Wir verlieren an Höhe. Ist es wirklich so aufgeräumt? Das Wasser nähert sich Meter um Meter, es scheint lauter zu werden. Das Fenster klappert. Wackelt der Flügel? Nein, Gerd Gebhardt hat alles im Griff: Die Landung ist erfrischend wie ein Kopfsprung. Die Cessna pflügt die Wellen. 13 Uhr: Angekommen. Auf der Fahrt zum Landesteg schiebt die MS Königswald vorbei. Wir lachen. „Ich habe noch nie so viele glückliche Menschen gesehen, wie bei den Flügen mit dem Wasserflugzeug“, sagt Gebhardt. Auch seine Mundwinkel gehen jetzt nach oben. Im Internet unter: www.air-service-berlin.de
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