Potsdam-Mittelmark: Der lange Weg zur „Osterhasen-Pädagogik“ Grüne luden zur Diskussion über Ganztagsschulen
Werder - Schüler lernen von Schülern: Es sind verschiedene Altersgruppen, die sich im Klassenraum zusammengefunden haben, um sich gegenseitig Hilfestellungen zu geben. Jeder darf einmal „Chef“ sein und muss seinen Klassenkameraden die Matheaufgaben erklären.
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Werder - Schüler lernen von Schülern: Es sind verschiedene Altersgruppen, die sich im Klassenraum zusammengefunden haben, um sich gegenseitig Hilfestellungen zu geben. Jeder darf einmal „Chef“ sein und muss seinen Klassenkameraden die Matheaufgaben erklären. Der Lehrer selbst versteht sich lediglich als Gastgeber. Zensuren gibt es hier nicht, so etwas hemmt in den Augen des Direktors die Leistung. Und eine Klingel? „Die wurde längst abgeschafft.“ So soll die Schule der Zukunft aussehen. Das sagt zumindest ein Dokumentarfilm des Bundesministeriums für Bildung. Mit der Kamera wurden Schüler in verschiedenen Ganztagsschulen in Westdeutschland beobachtet. Der Film mit dem Titel „Treibhäuser der Zukunft“ wurde jetzt im Scala-Kino aufgeführt. Anschließend hatten die Bündnisgrünen um ihren Landesvorsitzenden Joachim Gessinger zu einer Gesprächsrunde eingeladen, um heraus zu finden, inwieweit sich dieses Schulmodell in der Blütenstadt umsetzen lässt. In der Schule der Zukunft gebe es keine „Null-Bock-Schüler“, berichtet der Direktor der Bodensee-Grundschule in Baden-Württemberg, Alfred Hinz, in dem Film. In spielerischer „Löwenzahn“-Manier erklärt ein Musiklehrer den Knirpsen die Alpensinfonie von Richard Strauss. Und die geben sich begeistert und lernbegierig. In der Hamburger Klosterschule – einem weiteren Ganztagsprojekt – bediene man sich der "Osterhasenpädagogik", erzählt eine Lehrerin. Das Wissen als Osterei: Durch gezielte Fragen schickt sie ihre Eleven auf die Suche nach Erkenntnissen. „Warum haben wir bei uns solche Schulen nicht?“, warf Joachim Gessinger die Frage in den Raum. Die Antwort kam prompt: „Weil das Geld fehlt." Seit dem Pisa-Debakel ist das Wort Ganztagsschule als Ausweg aus der Bildungsmisere in aller Munde. Die Bundesregierung will bis 2007 insgesamt vier Milliarden Euro zum Ausbau herkömmlicher Schulen zu Ganztagshäusern an die Länder verteilen. Brandenburg erhalte davon 130 Millionen Euro, so Hans-Jürgen Kuhn aus dem Bildungsministerium in Potsdam. 100 Anträge seien bei ihm bereits eingegangen. Als bevorzugte Gebiete in der Mittelmark nannte er die Stadt Werder, den Raum Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf sowie die Stadt Belzig. Doch nur die Grundschulen in Brück und Nuthetal sowie die Werderaner Realschule hätten sich bislang um Förderung im Rahmen des Ganztagsprojektes beworben. Bei letzterer sei der Antrag jedoch abgelehnt worden, weil von dort kein ausreichendes Konzept vorgelegt worden sei. In der Realschule Werder wird das indes dementiert. Wie Direktorin Iris Gerloff auf PNN-Anfrage mitteilte, sei man vom Brandenburger Modell der Ganztagsschule alles andere als begeistert. „Das ist eine Mogelpackung: Es wird lediglich die Quantität und nicht die Qualität erhöht.“ Die Pädagogin monierte, dass die Mittel vorwiegend für Baumaßnahmen fließen würden. „Eine größere Hilfe für uns wäre es, wenn wir die Erlaubnis hätten, weitere Klassen zu eröffnen", so Gerloff. Bis zu 30 Schüler seien momentan in einer Klasse in ihrer Schule. Nichtsdestotrotz wolle die Realschule Werder ihr Nachmittagsangebot mit Arbeitsgemeinschaften und einem Schülercafé erweitern. Doch soll die Teilnahme keine Pflicht sein. Dafür seien Fördergelder beantragt worden. Da diese jedoch an eine Erklärung von 60 Prozent der Eltern gebunden worden seien – sie sollten auf zehn Jahre bestätigen, dass ihre Kinder das Angebot auch nutzen – habe man den Antrag zurück gezogen. Im Nuthetaler Ortsteil Saarmund startete die dortige die Grundschule erst vor kurzem ihr Ganztagsangebot (PNN berichteten). Doch sei dies bislang aus eigener Kraft geschehen, berichtete Direktorin Ute Gehrmann. Defizite bei der Umsetzung der Ganztagsschulen wurden auch in der Diskussion im Scala-Kino offenbar: So seien Förderschulen gar nicht berücksichtigt, sagte eine Lehrerin von der Werderaner Schule für Körperbehinderte. Eine Pädagogin aus Belzig kritisierte: Für die Erstellung eines Konzepts gebe es kaum Hilfe vom Ministerium. Die Vorgaben seien sehr schwammig. Insgesamt wurde das Prinzip der Ganztagsschule nach dem filmischen Modell jedoch befürwortet.
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