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KulTOUR: Der Sommer jubiliert

Farbhorizonte in der Galerie Töplitz

Stand:

Werder (Havel) - „Hängt das Bild nicht verkehrt herum?“, fragte Helga Wirth etwas vorwitzig den gerade als Meisterschüler von der Münchener Kunstakademie kommenden Maler. Und fürwahr, die junge Frau, mit der Willibrord Haas inzwischen über 40 Jahre verheiratet ist, überzeugte in seiner ersten Berliner Ausstellung mit Kennerblick. Das kleine abstrakte Bild mit nachhaltiger Wirkung ist auch in der morgen eröffnenden Ausstellung in Töplitz zu sehen. Diesmal natürlich nicht mehr auf dem Kopf.

Es ist eine der leiseren Arbeiten des aus dem Schwarzwald stammenden Künstlers, der ansonsten in den Mittsommer mit wahren Farbgiganten hereinbricht. Wie ein Trommelfeuer lässt er Farbklänge aufeinanderprallen: setzt sattes Gelb gegen tiefes Blau und schreckt auch vor leuchtenden Rottönen nicht zurück. Die Galerie beweist in sommerlichem Überschwang viel Mut zur Farbe: vor allem in der Acrylmalerei. In den Radierungen mit poetischen Titeln wie „Hügel der kleinen Sehnsucht“ oder „Das Gelb überstrahlte Sein“ dringt der Betrachter gern tiefer ein, lässt sich von der Spannung der gegeneinander gesetzten Flächen, Kreise und Schraffuren inspirieren. Fünf seiner großen Arbeiten hat Willibrord Haas gerade an die Universität Potsdam verkauft: In Zeiten der Rezession, die die Maler schon mehrere Jahre zu spüren bekommen, nicht nur künstlerisch eine Freude. Zumal sich das agile Ehepaar – inzwischen beide über 70 – gerade in Berlin ein neues Atelier einrichtet. „Jetzt mit verschließbarer Tür zwischen unseren Räumen. Denn während ich den Geruch von Terpentin liebe, bekommt mein Mann davon Kopfweh“, sagt Helga Haas Wirth lächelnd, die lange Zeit nur auf ihrem Küchentisch malte und radierte. Auch sie hatte als junge Frau ein Studium begonnen, fand aber für die damals vor allem auf Abstraktion ausgerichteten Malklassen der HdK Berlin nicht den richtigen Zugang. Auch finanziell war ihr bange, sich nur auf die Kunst einzulassen. Also arbeitete sie beim Wetterdienst und nahm privat Malunterricht. Bis die beiden Söhne kamen und sie die „Geldarbeit“ aufgab. Die Malerei blieb weiter wichtiger Energietank. „1972 richteten wir eine Radierwerkstatt ein und verkauften in der Zeit des Grafikbooms ganze Auflagen in Windeseile. Wir hatten das Gefühl, etwas herzustellen, was gebraucht und geschätzt wird“, so das Paar. Das ging bis in die 90er Jahre. Danach verkauften sich Leinwände besser, vor allem an Banken, Firmen und auch Praxen. „Doch dort hängen heute statt Bilder oft Kalenderblätter.“ Ihre Freude an der Kunst sei dennoch ungebrochen. „Sie ist für uns sinnstiftend“, sagt Willibrord Haas. Während er weiter expressiv und in strahlender Farbigkeit seine Horizonte aufmacht, lässt Helga Haas Wirth die Natur in zarteren Tönen klingen. Sonne fällt diffus durch Wälder, Wind streicht sanft durch ein Gerstenfeld. Von der Trauerweide fallen Zweige wie gelbe Kaskaden herab. Der Sommer jubiliert.Heidi Jäger

Vernissage morgen um 17 Uhr in der Galerie Töplitz, um 16 Uhr Konzert in der Dorfkirche nebenan.

Heidi JägerD

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