
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Der Tote vom Südwestkirchhof
Die Stahnsdorferin Carla Maria Heinze lässt ihren Debüt-Kriminalroman in ihrer Heimat spielen
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Stahnsdorf - Tatort Südwestkirchhof: „Der Körper war nackt. Noch nicht in Verwesung übergegangen. Die behaarten Beine lagen angewinkelt seitlich geneigt. Der untere Teil des Rumpfes schimmerte dunkel. Erst bei genauem Hinsehen sah man, dass er mit Blut verkrustet war. Ein Arm war über die Brust gelegt, und in der Hand steckte etwas.“
Ja, sagt Carla Maria Heinze und schmunzelt keck. „Auch die ersten Probeleser fanden das eklig.“ Die Beschreibung der verstümmelten Leiche, die nicht auf den Friedhof gehört. „Aber dass einer erschossen wird, kennt doch jeder“, sagt Heinze. Und außerdem: „Am Ende ergibt es einen Sinn. Sie werden sehen.“
Mit der Buchmesse in Leipzig ist in der vergangenen Woche ein neuer Roman aus der Region rund um Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf in den Läden gelandet. „Potsdamer Morde“ heißt das Werk der Stahnsdorferin Carla Maria Heinze. Es ist ihr erster Kriminalroman und er erzählt die Geschichte der pensionierten Mordkommissarin Enne von Lilienthal.
Bei einer Putzaktion des Friedhofs-Fördervereins stößt die ehemalige Polizistin – die noch nicht zum alten Eisen gehören will – durch einen Zufall auf die Leiche ohne Kopf und mit abgeschnittenen Genitalien. Sie wurden dem Opfer in eine Hand gedrückt. „Die Finger der zweiten Hand zeigten nach oben in den wolkenverhangenen Himmel. Zwei einzelne Finger, nicht mehr. Eine Irreführung, schlussfolgert Enne von Lilienthal. Plötzlich spürte sie dieses Kribbeln, wenn ein Fall anfing, sie in den Bann zu ziehen.“
Das 240 Seiten starke Werk der Stahnsdorferin spielt zu großen Teilen auf dem über einhundert Jahre alten Südwestkirchhof, dem zweitgrößten Friedhof Deutschlands. Er ist nur ein Spaziergang vom Wohnhaus der Autorin entfernt, in dem sie als Kind aufgewachsen ist und heute wieder lebt. Nach dem Bau der Mauer flüchtete Heinze als Schülerin mit ihrer Familie nach Westberlin. Später lebte sie viele Jahre im Rhein-Main-Gebiet, bis es sie 2004 wieder in ihre alte Heimat zurückzog.
In Stahnsdorf ist Heinze oft auf dem Friedhof anzutreffen, dem verwunschenen Ort zwischen historischen Grabdenkmälern von Berühmtheiten wie Heinrich Zille, Peter von Siemens oder Otto Reichelt. Gemeinsam mit ihrem Mann Bodo und ihrem Hund Tashi geht die Autorin zwischen den Kiefern spazieren. „Der Friedhof liegt mir sehr am Herzen“, sagt Heinze. Sie ist dort im Förderverein aktiv – so wie auch die von ihr erdachte Enne von Lilienthal. Aber das sei nun wirklich die einzige Verbindung zwischen ihr und der Hauptperson im Roman, sagt Heinze.
Die pensionierte Kommissarin brennt ihren eigenen Schnaps, sie raucht, liebt Italien und vergöttert ihren Kater Churchill. Heinze hingegen trinkt lieber Kaffee, raucht nie und in früheren Tagen reiste sie mit dem Moped durch das Hinterland der indonesischen Insel Bali. „Es ist immer eine Freude, eine Figur mit Eigenschaften auszustatten, die man selber nicht hat, die einem aber interessant erscheinen“, sagt Heinze. Dennoch: Beide Damen sind im Ruhestand, sieht man davon ab, dass Heinze Romane verfasst.
Bis zur Rente war Carla Maria Heinze als Sicherheitsberaterin tätig. Für ein weltweites Postunternehmen überwachte sie Gefahrgüter im Flugverkehr. „Da hatte ich es sehr viel mit krimineller Energie zu tun“, sagt sie. Zum Beispiel wenn Schmuggler versuchten, eine Ladung Giftmüll in als Spielzeug deklarierten Boxen außer Landes zu schaffen. Andere erwischte sie dabei, wie sie giftigen Müll in ihrem Aktenkoffer per Flugzeug transportierten.
„Mein ganzes Leben lang wollte ich aber schon schreiben“, sagt die Stahnsdorferin. Mit fünf Jahren habe sie diesen Beschluss gefasst. Doch später ging das Geldverdienen vor. Nur wenn Zeit blieb, griff Heinze zum Stift. Sie schrieb Kurzgeschichten, kleine Krimis für den Autorenklub „Die mörderischen Schwestern“ in Berlin, aber auch Kindergeschichten. So wie die vom Gespenst Charly, das sich – wo sonst – auf dem Südwestkirchhof rumtreibt.
Die „Potsdamer Morde“ mit Kommissarin von Lilienthal sollten ursprünglich komplett auf dem Friedhof spielen, sagt Heinze. „Warum hat der Mörder sein Opfer in der Erde ersticken lassen? Warum gerade dort? Der Südwestkirchhof ist nicht irgendein x-beliebiger Friedhof. Und warum die Verstümmelungen?“ Stück für Stück gibt Heinze in ihrem Werk die Antworten auf die brennenden Fragen nicht nur des Lesers, sondern auch von Kommissarin Enne preis.
Drei Jahre hat Heinze an ihrem Buch gearbeitet, sagt sie. Inzwischen sitzt sie schon an einer Fortführung. „Die Figuren in meinem Debütroman haben ein Eigenleben entwickelt, sich verselbstständigt“, sagt Heinze. Mehrmals habe sie die erste Geschichte umgeschrieben.
So führen die Spuren die pensionierte Kommissarin schnell vom Friedhof weiter in die jüngste deutsch-deutsche Vergangenheit und weiter zum Auslandsspionagedienst der DDR. Es entwickelt sich ein Roman um Macht, Gier und verschmähte Liebe. Eine Geschichte, in der Kommissarin Enne von Lilienthal weitere Hinweise finden soll – zum Beispiel am Grabstein des Komponisten Hugo Distler. Und den kann sich jeder Besucher des Südwestkirchhofs tatsächlich ansehen.
Am 29. März wird Heinze auf dem Südwestkirchhof ab 14 Uhr aus ihrem Werk lesen, dazu gibt es eine Führung zum Tatort. Weitere Lesungen finden am 8. Mai in der Natura-Buchhandlung Kleinmachnow, am 16. Mai im Bürgerhaus Teltow und am 26. Juni in der Bibliothek Stahnsdorf statt.
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