Von Kirsten Graulich: Der verlorene Geist
Ausstellung über die Geschichte des Ruhlsdorfer Platzes regt zu neuen Überlegungen an
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Teltow - Den Ruhlsdorfer Platz durcheilt man am besten, ohne nach rechts und links zu schauen. Stadtplaner attestierten dem Areal eine miese Aufenthaltsqualität, eine Brache zwischen Ruhlsdorfer und Mahlower Straße dominiert das Bild. Ein Platz ohne „Genius loci“, ohne „Geist des Ortes“, nennen das Architekten. Doch eine aktuelle Ausstellung zur „Historischen Entwicklung des Ruhlsdorfer Platzes“ beweist, dass es einmal anders war. Pläne und historische Fotos umfasst die Präsentation im Neuen Rathaus, darunter ein Situationsplan von 1836, auf dem zwei Straßen das Platzareal kreuzen.
Frank Seider vom Heimatverein hat recherchiert, dass die aus Ruhlsdorf nach Berlin führende Route Teil einer Heerstraße war. Zwischen Altstadt und jener Straße befanden sich Gärten von Ackerbürgern, auch zwei Viehtränken sind auf dem Plan verzeichnet. Etwa sechs Häuser standen seinerzeit auf der Fläche des Ruhlsdorfer Platzes, die damals noch Berliner Vorstadt hieß, wie Seiders Nachforschungen ergaben. Das Berliner Tor grenzte die Altstadt von der Vorstadt ab, bis sich im 19. Jahrhundert rings um den Verkehrsknoten mehrstöckige Wohnbauten und Gasthäuser etablierten. Auch viele Geschäfte gab es am Ruhlsdorfer Platz, über den Ende des 19. Jahrhunderts die Teltower Straßenbahn bis Lichterfelde fuhr.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ eine große Lücke im Gebäudeensemble. Eine Zäsur, die nachwirkt, während Stadtverordnete in den letzten Jahren betonten, der Ruhlsdorfer Platz sei das Tor zur Altstadt. Auch im Agendagespräch zur Ausstellungseröffnung wurde gefordert, den Platz wieder an die Altstadt anzubinden. Das wiederum nährt bei Altstadtbewohnern die Furcht vor mehr Verkehr. Ihnen wäre eine Absperrung lieber, was Agendamitglied Dieter Leßnau sticheln ließ: „Ich höre da heraus, dass man die Altstadt als verkehrsberuhigtes Wohngebiet versteht.“
Zugleich kritisierte er die jüngsten Ideen, an diesem Platz weitere hochgeschossige Bauten zu errichten. So ein „Klein-Berlin“ sei dann nicht mehr Teltow, meinte Leßnau. Einen weiteren Grund gegen Hochhäuser nannte Klaus Weißenberg von der Stadtverwaltung: „Die Turmspitze der Andreaskirche muss noch vom S-Bahnhof zu sehen sein.“ Diese Sichtachse solle man sich nicht verbauen, warnte Weißenberg.
Etwas „flachere Bauten“ konnte sich auch CDU-Ortschef Ronny Bereczki vorstellen, der die Agendagruppe „Ruhlsdorfer Platz“ vertrat. „Es muss Anreize für höherwertigen Einzelhandel geben“, sagte Bereczki. Seine Fraktion hatte gemeinsam mit der SPD für den geplanten Burger-King votiert (PNN berichteten), der wird nun auch kommen.
Aus Sicht einiger Gewerbetreibender ist der neue Nachbar nicht gerade das Zugpferd, dass sie sich für den Einzelhandel hier wünschen. Aber es bleibt ja noch Platz in der Baulücke – und es gibt einen weiteren Abrisskandidaten, wo gewerbliche Neuansiedlungen möglich wären. Verhindert wird eine abschließnde Planung auch, weil die künftige Verkehrslösung noch ungeklärt ist. Die neuen Agenda-Ideen zur Gestaltung des Platzes sehen die Gewerbtreibenden gelassen: Es gab ja schon viele Pläne in den letzten 20 Jahren, die in Schubladen verschwanden. Auch daran erinnert die Ausstellung.
Trotzdem wollen Bereczki und seine Mitstreiter weiter Ideen sammeln für die Platzgestaltung, da sie Vorrang vor dem Verkehrsfluss habe. Bereczki: „Sonst können wir den Stadtplatz vergessen.“ Widerspruch kommt dazu von Bauausschusschef Helmut Tietz: „Zuerst brauchen wir eine Verkehrslösung für den Ruhlsdorfer Platz.“
Kirsten Graulich
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