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Potsdam-Mittelmark: Der Wadenbeißer aus Wildenbruch

Wie Carsten Kumke Stolpe zur Maut verhalf

Wie Carsten Kumke Stolpe zur Maut verhalf Michendorf · Wildenbruch - So also sieht ein „Berater“ aus, den das Bundesamt für Güterverkehr zu Toll Collect schickt: Spitzbübischer Blick, gelbe Fliege, in der einen Hand die Pfeife, in der anderen die Stopfzange, um die Glut in Gang zu halten. Als das Mautdesaster vor einem Jahr kein Ende zu nehmen drohte, dem Bund eine Milliarde nach der anderen für den Verkehrsetat flöten ging, ärgerte das Verkehrsministerium das gescheiterte 900-Leute-Monstrum von Telecom und Daimler-Chrysler mit zwei Beratern – „Wadenbeißern“, wie Carsten Kumke selbst es nennt. Statt auf die Beantwortung schriftlicher Forderungen zu warten, wurde Tacheles geredet. Der Wildenbrucher, der bis vor kurzem als CDU-Ortschef und Michendorfer Gemeindevertreter wirkte und in Berlin beim IT-Riesen PSI tätig ist, war einer von ihnen. „Ich bin froh, dass das bei der CDU keiner so richtig mitbekommen hat“, witzelt er, „dass ich Stolpe zur Maut verholfen habe“. Am Mittwoch war der Bundesverkehrsminister in Michendorf, fuhr mit einem Mercedes-Truck zur Raststätte Nord, um am Mautterminal sein Ticket zur 43 Kilometer entfernten Abfahrt Berlin-Spandau zu buchen, für 5,26 Euro. Kumke stand am Rande des Pressetrosses mit seiner Tochter Anna – und wirkte gelassen wie einer der weiß, dass es läuft. Er nahm sich die Zeit, einen grummelnden Lasterfahrer aus Soltau zu agitieren, endlich die On-Board-Unit einbauen zu lassen. Erst 300000 von 500000 Lkw haben die satellitengestützte Ausrüstung, um auf Mautterminals zu verzichten. „Klar, nach den Patzern seit August 2003 hat keiner geglaubt, dass es diesmal klappt.“ Doch im April hatte er sein Büro am Potsdamer Platz bezogen. Kumkes Auftrag: Ergebnisse abfragen, Softewarekomponenten auf Funktion prüfen, auf Einhaltung des neuen Zeitplans achten. Anfangs musste er auf Flurgespräche zurückgreifen, um an Informationen zu kommen. „Wenn über einer Sache 4,6 Milliarden Euro Schadensersatz schweben, gibt es schon auch Spannungen.“ Doch der Führungswechsel an der Toll-Collect-Spitze machte sich auch für ihn bald bemerkbar. Und wohl auch, dass man spürte, dass Kumke nicht gekommen war, um in der Vergangenheit zu wühlen. Es ging um Ziel und Zukunft. Schließlich war Kumke in allen wichtigen Gremien vertreten, nahm an sämtlichen Sitzungen teil. Und konnte doch ein bisschen Rückschau halten: Aus seiner Sicht hätte klar sein müssen, dass der Maut-Auftrag in einem Jahr nicht zu schaffen war – schon gar nicht mit einem Nebeneinander von Auftraggeber und Auftragnehmer. Eines der Probleme: Verwaltungsrecht durch die Wirtschaft umsetzen zu lassen, etwa den Gleichheitsgrundsatz. „Eine Verwaltungsbescheid kennt keine Kulanz, während die Wirtschaft Abweichungen und Nullbuchungen in Kauf nimmt, um Kosten und Aufwand zu sparen.“ Doch Mautrechnungen müssen zur Not auch eingeklagt werden. Kumke stellte Fragen, trat auf Schlipse, gab rauhe und sanfte Statements. Wenn er zum Beispiel auf Bedienungs-Mängel an den Maut-Terminals hingewiesen hat, wurden schon mal eben 6,5 Millionen Euro locker gemacht, um sie zu beheben. Kumkes Knowhow als IT-Berater, das er schon bei der Euro-Umstellung der Berliner Verkehrsgesellschaft beweisen durfte, zählte. „Das“, so Kumke, „war anders als im Michendorfer Gemeinderat“. Der 46-Jährige ist ansich Historiker. Er wechselte vor acht Jahren die Branche, schulte sich um, als er merkte, dass sein technisches Interesse gefragter war als wissenschaftliche Betrachtungen zur Führungselite der Zaporoher Kosaken. Immerhin, als Hobby beschäftigen sie ihn noch: Erkenntnisse aus seiner Dissertation an der FU Berlin bilden die Grundlage für eine Wissenschaftsdatenbank, die Kumke derzeit im Internet aufbaut.

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