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Von Gerold Paul: „Derzeit ist alles offen!“

Gäste in Kleinkunstreihe des Scala-Kinos bleiben weg / Geburtstagsgala im Herbst

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Werder (Havel) - „70 Jahre Kino in Werder“ steht auf dem Aufkleber des einsamen Autos vor dem Filmtheater in Werder, „7 Jahre Scala“ auf dem anderen. Ziemlich traurig und einsam wartete Knut Steenwerth, Eigentümer und Betreiber des Hauses, am Sonntagabend, ob nicht doch noch ein paar Gäste zum Kleinkunstabend mit „ChansonNette“ und einer ukrainischen Musiktruppe kämen. „Habe die Künstler nach Hause geschickt, Null Karten im Vorverkauf, drei Leute ante portas. Es sollen aber nicht mehr auf der Bühne sein, als im Publikum sitzen.“ Schade, immerhin kamen bis Vorstellungsbeginn noch ein paar dazu. In solch verkorksten Minuten lohnt ein Gespräch exklusiv.

Zuerst die Hausführung: Stolz erzählt der Mann, welcher einen Gewerbebetrieb Kino im Nebenamt führt, wie er nach Bauamts-Auflagen („unter zweihundert Plätze“) seinen Kinosaal veränderte, damit man trotzdem Filme anschauen, aber auch Blues hören, sogar mittanzen kann, ohne die Behörden zu erzürnen. Die Bühne hat sich verändert, es gibt eine große 3D-Leinwand, die Technik ist auf dem neuesten Stand. Sechshundert Vorstellungen gibt es pro Jahr, ungefähr die Hälfte gehören dem Film.

Aber das Babelsberger Thalia ist attraktiver, auch privilegiert: Die Jugend fährt nach Potsdam, wenn sie Kino gucken will, oder nach Berlin. „Bei mir bleibt sie völlig weg, beim Film wie bei der Kleinkunst.“ Diese will sich ja in Werder bewusst als kleine Schwester der „größeren“ im Kaufhaus, verstehen.

„Wir waren schon öfter von Golm aus hier, ist immer wieder was ausgefallen bei Ihnen“, klagt ein älteres Paar, und geht. Der Chanson-Abend „farbenblind“ sollte nun eigentlich das Zünglein an der Waage zum Überleben und Weitermachen sein. Die Blues-Abende laufen gut, auch die ersten Teile der Kleinkunstreihe waren gut besucht. Zur letzten Veranstaltung kam einer, diesmal wären es beinahe zehn gewesen. „Der Ortsanzeiger hat unsere Werbung zweimal hintereinander nicht gedruckt“, klagt Steenwerth, „kein Wunder, wenn keiner kommt!“ Und erzählt, dass für den Förderverein noch viele Mitglieder willkommen seien, und „Kino in Werder“ besonders für die Zugezogenen „eigentlich ein Stück urbaner Lebensqualität“ bedeute.

Er stellt seinen Kino-Standard nicht ohne Stolz dem von Belzig und Treuenbrietzen gegenüber, gesteht zugleich, mit dem Großraum rund um Kleinmachnow nebst Südberlin einzugsmäßig nicht mithalten könne. Ihn interessiert das Technische, die Herausforderung Kino im jetzigen Stadium seines Lebens – in Werder.

Viel hat er in sieben „Scala“-Jahren probiert, zufrieden ist er nicht. Trotzdem brachte dieser Sonntag keine Entscheidung. Er will sie in den Herbst verlegen, wenn siebzig Jahre Werder-Kino mit sieben Jahren „Scala“ zusammenfallen. Dann soll bei einer richtig großen Gala festgemacht werden, ob es weitergeht. Die Möglichkeit, alles einzupacken und anderswo noch einmal sein Glück zu erproben, schließt Knut Steenwerth nicht aus. „Derzeit ist alles offen“, sagt er auf dem obersten Treppenabsatz zur Straße, wo sein Auto mit den beiden Aufklebern parkt. Schade um das Haus, aber was soll‘s, wenn keiner kommt. Es sind ja inzwischen sogar ganze Paläste abgerissen worden.

Einzeltaten geben dem Einzelkämpfer trotzdem Hoffnung: Als er innerhalb der Stieg-Larsson-Reihe zwei Filme nacheinander anbot, meldete sich ein Bürger aus Uelzen. Er kam, sah – und fuhr danach ins Niedersächsische zurück. Das sollten mal die Werderaner Filmfans tun, falls in Uelzen was los ist!

Gerold Paul

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