KulTOUR: Die Baroness in Gütergotz
Lustvolle Anekdoten aus der Schloss-Geschichte
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KulTOURLustvolle Anekdoten aus der Schloss-Geschichte Stahnsdorf - Auf seinen „Wanderungen“ besuchte der gute alte Fontane im Sommer 1869 auch das Anwesen von Gütergotz. Er wollte den Pastor Brodersen treffen. Zu Weihnachten desselben Jahres schrieb Luise Freifrau von Bornstedt eine kleine, ganz private Chronik der Begebenheiten auf „Schloss Gütergotz“ in Güterfelde, die 58 Jahre zurückführen, in die Zeit der Befreiungskriege. Das Schlösschen selbst, 1804 von David Gilly erbaut, feiert gerade Jubiläum, was einen Förderverein anregte, in der 1909 erbauten „Schule am See“ eine sehenswerte Ausstellung zu organisieren, mit Fontane und Luise. Damit nicht genug. Am Sonntag las die Schauspielerin und Kabarettistin Johanna Lesch besagte „Erinnerungen des Freifräuleins von Bornstedt an die Zeit ihres Onkels, des Geheimen Ober-Finanzrathes Grothe“ an gleicher Stelle, auf dem Nelkenberg, in einem Klassenzimmer voller Gäste. Der Kammervirtuose Bodo Rust spielte dazu Violoncello-Kompositionen von Bach und Boccherini; letzterer versorgte auch den „Dicken Wilhelm“ mit Noten fürs gleiche Lieblingsinstrument. Was die Baroness der Nachwelt mitzuteilen hatte, ist in einer galanten und gar artigen Sprache geschrieben, daraus man den hohen und deutlich preussischen Geist der Autorin erkennt, mithin auch, warum der brandenburgischen Landadel stets als „Stütze der Gesellschaft“ galt. Tatsächlich? Auch Brodersen hat jene Tage festgehalten, doch bei ihm erscheinen „Frau und Tochter“ des Finanzministers Grothe längst „nicht rein“, wohl wegen eines Roten Cabinetts, das auch in Luises Denkwürdigkeiten eine Rolle spielt. Pastoren sind manchmal so. Begonnen hat die ganze Geschichte Anfang des 19. Jahrhunderts, als Hofrath Derling die schöne Tochter eines Oberpostrathes geheiratet und vier ebenso anmutige Töchter gezeugt, deren älteste blind gewesen ist. Der Berliner Lotteriekönig Grothe hielt um die Hand der zweiten an. Luise vermutet, das sei nur geschehen, weil ihr späterer Onkel unbedingt Finanzminister werden wollte. Auch er zeugte drei Kinder, Auguste, Adele und einen Bub. Als ihm „Ehrgeiz die Liebe längst ertötet“ hatte, setzte er sich ins soeben geteilte Polen ab, dort neue Güter zu verwalten. Kurz nach der Hochzeit ließ er sich auf seinem „Grundbesitz mit Jagdgerechtigkeit“ Gütergotz erbauen, prunkvoll ausgestattet mit persischen Teppichen und Pariser Seidentapeten. Des Freifräuleins Erinnerungen kreisen vor allem um ihre Cousine Auguste, falls das Verwandtschaftsgefüge stimmt. Diese verliebt sich mit 14 in einen russischen Offizier feuriger Augen, und man trifft sich oft im Cabinett, wobei Luise die „Anstandsdame“ zu spielen hatte. Er muss los, Napoleon zu besiegen, sie vergießt der Tränen bitterste. Nach einer zweiten Begegnung ist alles aus: Von Petersburg her schreibt er ihr, die russische Kaiserin hätte ihm die Einwilligung verweigert, sich von seiner regulären Gattin scheiden zu lassen, ein Schlag, den die empfindsame Auguste trotz späterer Ehen nie verkraftete. Das Freifräulein erinnert sich weiterer Ereignisse, vor allem der zeitweiligen Übergabe des Schlosses an den Grafen von Hardenberg, wobei sie ihm als niedliches Engelchen den güldenen Schlüssel zu überreichen hatte, ein unvergessliches Erlebnis. Später übernahm Kriegsminister Albrecht von Roon das Anwesen. Hübsche Geschichten, mit List und Lust gelesen. Gerold Paul
Gerold Paul
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