zum Hauptinhalt

Von Tobias Reichelt: „Die DDR ist kein Gefängnis mehr“

Kleinmachnows SPD erinnerte sich mit Walter Momper an die Wendezeit

Stand:

Kleinmachnow - Im Nachhinein betrachtet, erzählt Walter Momper, sind es die kleinen Geschichten, die das Ende der DDR schon lange vor dem 9. November 1989 erzählt haben – wie die von einer seiner vielen Autofahrten durch Ost-Berlin an der Seite des zugeordneten Chauffeurs, der, wie Momper klar war, von der Stasi war: „Mensch wenn sich jetzt alles ändert, vielleicht dürfen wir dann auch mal nach West-Berlin“, habe der ihm vor dem Mauerfall gesagt, erinnert sich Momper. „Manchmal blieb einem die Spucke weg.“

Obwohl Walter Mompers Zeit als Regierender Bürgermeister Berlins keine zwei Jahre währte, war er es, der die Stadt durch eine ihrer geschichtsträchtigsten Zeiten gebracht hat, den Fall der Berliner Mauer. Am Mittwochabend war das SPD-Urgestein zu Gast bei den Kleinmachnower Sozialdemokraten. Gemeinsam kramten sie über zwei Stunden in ihren Erinnerungen, und Momper trug seine Wende-Anekdoten vor.

Erst im März 1989 war der Mann mit dem roten Schal zum Bürgermeister gewählt worden, „da wurde an der Grenze zwischen Ungarn und Österreich der Stacheldraht durchtrennt.“ Schon war ihm klar: „Die DDR ist kein Gefängnis mehr.“

Nur kurze Zeit später begannen in West-Berlin die Planspiele der Alliierten. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Sturm über die Mauer kommt“, erzählt Momper. Deshalb hielt er Kontakt zur anderen Seite. Am 29. Oktober ’89 traf er sich mit Günter Schabowski – dem Mann aus der DDR-Führung, der wenig später das Ende seines Staates verkünden sollte. Schabowski weihte Momper in die Pläne ein, das Reisegesetz der DDR zu ändern. „Ein moderner Staat ist ohne Reisefreiheit nicht denkbar“, sagte Schabowski und Momper war überrascht. „Das ist eine gute Einsicht, aber sie kommt zu spät“, dachte er sich, zumal es so schien, als ob sich niemand in der DDR-Führung Gedanken über die Wirkung der Gesetzesänderung gemacht hatte. Immerhin: Bevor das Gesetz in Kraft treten sollte, wollte Schabowski Momper Bescheid geben.

Am 9. November kam dann alles anders. In Berlin liefen die Vorbereitungen für die irgendwann mal erwartete Grenzöffnung. Momper arbeitete im Springer-Hochhaus an einem Begrüßungsblatt, als die überraschende Nachricht von Schabowskis just verlesener Reisefreiheit eintraf. „Er hatte doch versprochen, vorher Bescheid zu geben“, war Mompers erster Gedanken. „Das ist der Tag auf den wir 28 Jahre gewartet haben“, hat er wenig später einem Reporter in das Mikrofon gesagt. „Lassen sie Trabbis und Wartburgs zu Hause“, rief er noch, dann war die Grenze offen.

Auch das Kleinmachnower SPD-Urgestein Manfred Schulz kann sich an die Nacht noch erinnern. „Es ist soviel passiert“, sagte er am Mittwoch. Schon wenige Tage später trafen sich erstmals Sozialdemokraten der Region, berichtete er. „Wir hatten von Tuten und Blasen keine Ahnung. Wie macht man eine Wahl? Wir hatten keine Übung“, erzählte Schulz, bevor ihm Momper für seine über 20-jährige Mitgliedschaft in der SPD ehrte.

„Die Situation war reif“, sagt Momper. „Im Nachhinein betrachtet sieht heute vieles leichter aus, als es damals war.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })