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Steffen Belikat, hier mit seiner Simson S 50, organisiert das 1. Töplitzer Simson-Treffen.

© B. Stelley

1. Simson-Treffen in Töplitz: Die erste Liebe im Zweiertakt

Für viele Jugendliche in der DDR bedeutete die Simson ein kleines Stückchen Freiheit. Vor allem die S50 und S51 waren beliebt. In Töplitz wurde die Simson bei einem Treffen gefeiert.

Stand:

Werder (Havel) - Das typische Knattern des Zweitaktmotors biegt um die Ecke in den Birkenweg in Töplitz. Das unverwechselbare Geräusch entspringt einer Simson S50 mit knapp 50 Kubik, blauer Lackierung und Tittenlampe. Bei der Beschreibung der Scheinwerferform machen Simson-Fans keine Kompromisse. Farblich korrespondierend schmiegt sich eine orangefarbene Halbschale mit weißem Rallyestreifen um den Kopf des sonnenbebrillten Herrn über die 3,6 PS unter der Sitzbank. Mancher Mann stürzt sich in ein frivoles Abenteuer oder kauft sich einen Sportwagen, wenn die Midlifecrisis zuschlägt. Bei Steffen Belikat aus Töplitz war es eine S50, Baujahr 1980. „Irgendwann erinnerte ich mich einfach wieder an meine erste Liebe.“

Hinten drauf das Mädchen

Steffen Belikat kommt gebürtig aus Nossen, das liegt bei Meißen, in Sachsen. Ende der 1970er, Anfang der 1980er war er mitten in seiner Sturm-und-Drang-Phase mit einer Simson unterwegs. „Wenn man in die Disco oder zum See wollte, ist man mit dem Moped hingefahren“, erinnert sich Belikat. So gut wie jeder habe damals ein Moped besessen. Vor allem die Schwalbe sei auf dem Land beliebt gewesen, nicht zuletzt wegen des Defa-Fernsehfilms „Schwester Agnes“ von 1975. „Aber Schwalbe war schon so ein bisschen uncool“, sagt Belikat. Die Jugendlichen seien eher die sportlichere S50 und später die S51 gefahren. „Und hinten drauf das Mädchen.“

In Töplitz düsen einige Simsons herum. Es dauerte also nicht lange, dass es bei Steffen Belikat in den Fingern kribbelte. Als er 50 Jahre alt wurde, landeten in der Geburtstagskasse 400 Euro. „Ich hab dann abends, manchmal beim Bierchen, das Internet durchforstet“, sagt er. Es dauerte nicht lange und er wurde auf der Auktionsplattform Ebay fündig. „Ein Scheunenfund hat das Rennen gemacht.“

Das begehrte Gefährt stand irgendwo in Thüringen. „Also bin ich mit Auto und Hänger da runter“, sagt Belikat. Die Simson war in einem bemitleidenswerten Zustand. „In der Anzeige hieß es, sie sei fahrtüchtig.“ In der ganzen Aufregung hatte Belikat vergessen einen Helm mitzunehmen. Eine Testfahrt musste aber absolviert werden. Also schwang er sich ohne Kopfschutz auf den Bock und düste los.

Jährlicher Akkuschrauber-Cup

„Das war in irgendeinem Dorf, also was solls“, kommentiert Belikat die Testfahrt ohne Helm. Wenige hundert Meter später machte die Straße eine Biegung. „Ich dachte mir nix und zog die Handbremse – nix.“ Der Tritt auf die Fußbremse blieb ebenfalls wirkungslos. In diesem Moment wurde Steffen Belikat klar, das die Bezeichnung „fahrtüchtig“ nicht unbedingt falsch, aber unvollständig war. „Ich hab die Kurve noch gekriegt“, meint Belikat heute gelassen.

In der Töplitzer Schrauberszene ist Belikat kein Unbekannter. Als Vorsitzender des „Deutschen Akkuschrauber Rennsportvereins“ in Töplitz motzt der studierte Ingenieur Bobby-Cars mit – kein Scherz – Akkuschraubermotoren auf. Mit gleich getakteten Töplitzern organisiert er jährlich den dazugehörigen Akkuschrauber-Cup. Der Nachwuchs schraubt sich dann über die rund 100 Meter lange Rennstrecke, nachdem Papa das Getriebe optimal abgestimmt hat.

Immer was zum Schrauben

Schrauben musste man damals an der Simmi, wie das Moped aus dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“ in Suhl liebevoll bezeichnet wurde, eigentlich immer. War es aus Leidenschaft zur Optik, weil der Spiegel nach einem Schmiss gebrochen war oder weil wegen nachlassender Leistung der Vergaser neu eingestellt werden musste. „Man brauchte bloß eine Handvoll Werkzeuge und konnte alles in Ordnung bringen, wenn mal was nicht ging“, sagt Belikat. 10er, 13er und 17er Schlüssel, sowie Schraubendreher und Reifenheber passten immer irgendwo rein. „Trotzdem war die Simson extrem zuverlässig, einmal treten und sie ist angesprungen.“ Ein wenig Simson-Latein gehört wohl dazu.

Genau diese Benzingespräche und Teiletausch soll es am Sonntag beim ersten Töplitzer Simson-Treffen geben. „Wir haben Gulaschsuppe und ich habe ein bisschen Brause und Radler gekauft“, sagt Initiator Belikat. Premiere wird wohl das weltweit erste Simson-Minigolf aus Ersatzteilen feiern. Treffpunkt für das Simson-Treffen ist um 14 Uhr der Parkplatz vor dem Landgasthaus Mühlenberg. Und natürlich wird auch Steffen Belikat seine wieder hergerichtete, typisch knatternde Schönheit präsentieren.

Björn Stelley

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