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Potsdam-Mittelmark: Die „geistige Luft“ prägt das Miteinander
Mit der FrauenOrte-Aktion wurde in Caputh an die jüdische Reformpädagogin Gertrud Feiertag erinnert
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Schwielowsee - Vor ein paar Jahren war Sabina Scheuerer in der Lutherstadt Wittenberg. Es hat ihr gefallen, dass auf Gedenktafeln über Persönlichkeiten informiert wurde, die der Stadt ihren Stempel aufgedrückt haben. Nicht gefallen hat der früheren Potsdamer Gleichstellungsbeauftragten, dass nur eine Frau darunter war. Sie kam darüber mit einer Kollegin aus dem Frauenpolitischen Rat des Landes Brandenburg ins Gespräch, in dem sie ehrenamtlich mitwirkt. Es war die Geburtstunde der Aktion „FrauenOrte im Land Brandenburg“.
Seit drei Jahren gibt es die Aktion. Elise Fontane in Mühlberg, Johanna Just in Potsdam, Eva Strittmatter in Neuruppin oder Elise Taube in Finsterwalde – es sind einige der Frauen, an deren Wirken so erinnert wurde. Gestern wurde die 34. Erinnerungstafel an einem Frauenort, dem Eingang des Jugendhilfezentrums „Gertrud Feiertag“ in Caputh, angebracht. Prominenter Gast war Franz Friedrich Prinz von Preußen, der mit seiner Frau Susann Prinzessin von Preußen die Arbeit des Jugendhilfezentrums unterstützt.
Gertrud Feiertag war Gründerin des Jüdischen Kinder- und Landschulheims Caputh. Die dort heute tätigen Pädagogen der Soziale Hilfen Berlin/Brandenburg (SHBB) gestalteten die Feierstunde. Die Reformpädagogin habe einen Satz geprägt, der seine Gültigkeit behalten habe im Jugendhilfezentrum, wie es gestern hieß, nämlich dass die „geistige Luft eines Hauses“ über das Miteinander entscheide. Feiertag hat in Caputh ihre modernen Ideen einer „ganzheitlichen Kindererziehung“ umgesetzt. Von einer klugen und umsichtigen Persönlichkeit war die Rede, die die Fähigkeit gehabt habe, starke Leute als Mitarbeiter zu binden und das Beste in ihnen zu wecken. Größter Wert wurde im Landschulheim auf die schöngeistige Bildung der Kinder gelegt: Musik, Theater, Malerei, Literatur – sowie Ausflüge in die Natur, die Havellandschaft oder zur Baumblüte nach Werder.
Die Pädagogin wirkte in einer schweren Zeit: Ihr Landschulheim wurde 1931 gegründet und im Novemberpogrom 1938 zerstört. Danach widmete sie sich in Berlin humanitären Aufgaben, bemühte sich, jüdische Waisenkinder ins Ausland zu vermitteln. Sie hatte wohl mehrfach die Chance, auch selbst zu emigrieren, stellte aber offenbar die humanitären Pflichten an erste Stelle. Am 17. Mai 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert und dort kurz darauf ermordet.
Durch Besuche ehemaliger Schüler habe man Gertrud Feiertag kennengelernt, sei mit der Zeit vertraut mit ihr geworden, sagte SHBB-Geschäftsführerin Ulrike Hart. Vor einigen Jahren wurde ihr bereits ein Stolperstein gesetzt, auch eine Straße in Caputh ist nach ihr benannt. „Gertrud Feiertag wird hier also nicht aus der Versenkung geholt“, betonte die Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg, Sabine Hübner, bei der Feierstunde. Ihre Ideen seien weitergetragen worden – eben auch von den früheren Heimkindern, die das Landschulheim später immer wieder besuchten.
Nach der Fotografin Marie Goslich und der Naturwissenschaftlerin Clara von Simon ist Gertrud Feiertag die dritte Frau, an die in Schwielowsee durch die „FrauenOrte“ erinnert wird. Henry Klix
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