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Die Belegschaft im Haus Abendroth: Barbara Auer (3. v.l.) und Josefine Preuß (3. v.r.) spielen Pflegerinnen in Deutschlands letztem staatlichen Seniorenzentrum. Die Bewohner sind Fernsehlegenden wie Friedrich Schoenfelder (sitzend, Mitte).

© Sebastian Gabsch

Von Thomas Lähns: Die komischen Alten

Für eine TV-Produktion wird Schloss Petzow zum Seniorenheim. Das Thema ist ernst – die Bewohner aber nicht

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Werder (Havel) - Es riecht schon etwas muffig im „Haus Abendroth“. Beim Laufen knarren die Dielen, die Stuckdecke ist fleckig. Draußen bröckelt Putz, nachdem ihm der Regen vieler Jahrzehnte zugesetzt hat. Das Seniorenheim hat schon bessere Zeiten gesehen – wie seine Bewohner. Liebenswürdig sind sie aber alle: Frau Siefert, die im Schrank mit Engeln redet, Herr und Frau Schlegel, die nach 60 Jahren erneut heiraten, oder Alwis und Herr Kurtacker, die mit Rollstühlen eine Wettfahrt im Flur veranstalten. Diese „letzte staatliche Senioreneinrichtung“ befindet sich jetzt im Schloss Petzow. Das ZDF dreht hier dieser Tage eine Komödie unter dem Arbeitstitel „Die letzten Dinge“. In den Hauptrollen: Josefine Preuß und Barbara Auer.

Damit packt das Öffentlich-Rechtliche ein Tabuthema an: Altern und Sterben, beides spielt in der Produktion nach dem gleichnamigen Roman von Annegret Held eine Rolle. Wie kann ein Film darüber komisch sein? „Es sind die schrägen Typen, die für Humor sorgen“, sagt Produzentin Corinna Marx. Unter den Bewohnern ist ein früheres Model, ein alternder Rockstar und ein Chorleiter, der mit den Insassen Popsongs statt altbackener Volksschlager einübt. Der Film solle auch jüngere Menschen ansprechen, so Marx. „Die Geschichte zeigt, wie wir von den Alten lernen können. Oft werden sie unterschätzt, dabei haben sie so viel Weisheit.“

Im Schloss herrscht silbergraue Geschäftigkeit. Nachdem die große Chorszene im Speisesaal im Kasten ist, verabschieden sich die Komparsen in die Mittagspause. Langsam bewegen sie sich durch den Gang, einige Akteure stützen sich auf Gehstöcke. Sogar ein Rollstuhlfahrer bahnt sich seinen Weg vorbei an Requisiten. Die Akteure spielen nicht nur alte Menschen, sie sind es. Für Authentizität sorgt auch das Schloss Petzow als Kulisse. Allerdings habe man Einiges erneuern müssen, berichtet Corinna Marx. Die Wände wurden tapeziert, die Dielen an manchen Stellen geglättet. Die entsprechenden Möbel mussten ebenfalls heran geschafft werden. „Aber wir können uns hier völlig frei bewegen und alle Räume nutzen“, beschreibt Marx den Vorteil.

Das Schloss gehört Familie Hilpert, den Betreibern des Resort Schwielowsee. Die möchten hier irgendwann ein Hotel etablieren, doch bis dahin nagt der Zahn der Zeit weiter an den alten Mauern - und macht den früheren Wohnsitz derer von Kaehne fürs Fernsehen interessant. Die beiden ZDF-Telenovelas „Julia – Wege zum Glück“ und die Nachfolgestaffel „Bianca“ wurden hier gedreht. Die dritte, „Alisa – Folge Deinem Herzen“, wird derzeit auf Werders Insel produziert.

Im eigentlichen Mittelpunkt von „Die letzten Dinge“ steht die 23-jährige Lotta Brinkhammer, die auf Geheiß ihres Vaters ein Praktikum im „Haus Abendroth“ absolviert. Damit soll die unstete junge Frau beweisen, dass sie etwas zu Ende bringen kann. Denn Lotta will Schauspielerin werden, doch das Geld für die Ausbildung schiebt Papa nicht bedingungslos herüber. Gespielt wird die Rolle von der 23-jährigen Josefine Preuß, die ihre ersten Schauspielerfahrungen am Potsdamer Hans-Otto-Theater gesammelt hat. Ihre Karriere verlief weitaus glücklicher als die von Lotta: Mit zehn Jahren stand sie das erste Mal auf der Bühne, spielte danach in der Kinderserie „Schloss Einstein“ und war zuletzt in der Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ zu sehen.

„Das Altern ist für mich mit diesem Film auf jeden Fall ein Thema geworden“, sagt die junge Frau während einer Drehpause. Statt eines weißen Kittels trägt sie ihren „Lotta-Look": Netzstrumpfhose, abgerissene Hose und Westernstiefel. Wie ihr Altera Ego hatte sie selbst noch nicht soviel mit Altersheimen zu tun gehabt. „Angst hatte ich vor der Sterbeszene“, gesteht sie. Und tatsächlich sei ihr mulmig geworden, weil ihre Kollegin Heidy Forster so echt gespielt habe.

„Wir wollen hier nichts unterschlagen“, unterstreicht Produzentin Marx. Auch das Thema Pflegenotstand werde im Film aufgegriffen: Zu wenig Personal für zu viele Senioren. Eine so flapsige junge Praktikantin wie Lotta erscheint da nicht gerade als Hilfe. Das findet zumindest Schwester Rosalinde. Barbara Auer agiert in der Rolle der Pflegedienstleiterin anfänglich als Lottas Gegenspielerin. „Sie traut der jungen Frau nicht so viel zu, weil sie noch nicht weiß, was sie will“, erläutert die Schauspielerin. Vor dem Dreh hat Barbara Auer mit echten Pflegerinnen über deren Arbeit gesprochen. „Manchmal müssen die Heime auf Zeitarbeitsfirmen zurückgreifen", erzählt sie. Deren Angestellte hätten wesentlich kürzere Arbeitszeiten, was wiederum zulasten der Senioren gehe. In ihrer Jugendzeit hat sie selbst mal ein Praktikum in einem Altersheim absolviert. „Viel hat sich seit dem nicht verändert“, schätzt sie. Vom Schloss Petzow ist Barbara Auer indes ganz hingerissen. Während der Dreharbeiten für den Mehrteiler „Die Krupps“ hatte sie unter anderem Schlösser in Thüringen gesehen, doch das hier sei einmalig. Als sie die Terrasse mit Blick auf Park und Schwielowsee betritt, fällt ihr die Sonne ins Gesicht. „Hier müsste man mal Urlaub machen und nicht arbeiten.“

Draußen sitzen Fernsehlegenden in brütender Hitze, wie der 93-jährige Friedrich Schoenfelder, oder Bühnenstars wie Dagmar von Thomas. Die Mittsiebzigerin hat jahrzehntelang am Berliner Schillertheater gespielt, war jüngst in Bremen in „My Fair Lady“ zu sehen. Vor der Kamera zu agieren, sagt sie, sei völlig anders als auf der Bühne. Aber sie meistere auch das. Und wer könnte die schrullige Frau Siefert besser spielen, als eine waschechte Berlinerin? „Sie raucht, ist zynisch und unterhält sich mit Engeln, die ihr sagen, wer als nächstes hops geht“, beschreibt die Darstellerin ihre Rolle. Den bitterbösen Humor muss sie nicht spielen: „Lasst uns die Szene heute noch fertig bringen, wer weiß, ob ich morgen noch da bin“ – auf solche Sprüche müssen die Kollegen schon mal gefasst sein.

Mit dem Thema Altern gehe sie unbefangen um, sagt Dagmar von Thomas. Wie aber denkt sie über Altersheime? „Haben wir denn schon unsere Medikamente genommen? Möchten wir denn jetzt etwas spielen? Allein diese Anrede könnte ich nicht ertragen.“ Und so ist der Aufenthalt im „Haus Abendroth“ wohl der einzige dieser Art, den sich Frau von Thomas gönnt. Der aber dürfte bei den Zuschauern für Heiterkeit sorgen.

Der Sendetermin ist für Anfang 2010 im Mittwochsprogramm des ZDF geplant.

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