Potsdam-Mittelmark: Die Kunst des Recyclings
Die Ruhlsdorferin Hanna Lindenberg fertigt aus alten Gabeln und Fuchszähnen neuen Schmuck
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Teltow - Die „Geheimnisse des Meeres“ sieht Hanna Lindenberg schon genau vor sich: vier abgeschliffene Stachel eines Seeigels, dazu ein paar glänzende Perlmuttperlen und Kettenglieder aus Silber und Gold. Vorsichtig schiebt die Goldschmiedin mit ihren von der Arbeit schwarz gefärbten Fingerspitzen die Glieder der noch unfertigen Halskette in Position. „Ich lasse mich inspirieren von der Natur“, sagt Lindenberg und greift wieder zur Säge, um das nächste Kettenglied in Form zu bringen.
Seeigelstachel, Korallen, Fuchszähne oder Wildschweinborsten, alte Gabeln, Messer oder Schmuck. Die Kunst des Recyclings und die Kunst des Altertümlichen liegen der 56-jährigen Gold- und Silberschmiedin am Herzen. Seit vier Jahren fertigt die Künstlerin aus Neuem und Wiederverwertbarem im kleinen Teltower Ortsteil Ruhlsdorf ihre wertvollen Werke für den Finger, die Ohren oder den Hals. Sie tragen später fantasievolle Namen wie „Wilde Sau“, „Schlaue Füchsin“, „Erdenwärme“ oder „Neue Ufer“.
„Die Zähne kamen leicht aus der toten Füchsin raus, sie muss schon sehr tot gewesen sein“, sagt Lindenberg und muss für einen Moment so kräftig lachen, dass ihre kurzen schwarzen Locken wackeln. Im Fläming habe sie den Kadaver gefunden, der mehr Knochen als Haut war. Die Beißer sind kunstvoll verarbeitet in einer Halskette. Kostenpunkt 980 Euro.
Zwischen Stielkölbchen, Schmelztigeln, Feilen und Zangen fertigt Lindenberg in der Ruhlsdorfer Webersiedlung ihre Schmuckstücke an. Mit einem Hornhammer eines echten Bullen bringt sie das Metall in Form, mit einem Kaninchenfuß fegt sie hinterher den wertvollen Silber- und Goldstaub auf. In der Auswahl ihrer Materialen orientiert sie sich am Schmuck der Menschen von vor über 5000 Jahren. Auch die Herstellung ist traditionell: Lindenberg schmilzt zum Beispiel alte Gabeln in einer Schmelze ein, um daraus Silberstreifen zu fertigen. Die werden anschließend in einer Walze plattgedrückt und später zu feinen Röhrchen geformt. Daraus werden dann in mühevoller Handarbeit am hölzernen Werktisch einzelne Kettenglieder, Ösen oder Ringe.
Bereits in den 1980er-Jahren entschied sich die in Bonn geborene Künstlerin für ihren Beruf. Das Spiel mit den Elementen, das Handwerk mit dem Feuer und den so wandelbaren Metallen hatten es ihr angetan. Eine gelernte Goldschmiedin führte sie heran. „Ich habe einen Beruf, mit dem ich unglaublich viel Freude schenken kann“, sagt Lindenberg.
22 Jahre lebte sie nach ihrer Lehre im britischen Wales, wo sie ihre eigene Werkstatt eröffnete. Erst als ihr die Großstadt zu fehlen begann, machte sie sich auf in Richtung Berlin. „Ich genieße, dass das Großstadtleben hier vor der Tür liegt.“ Beim Tanzen in Berlin kann sie sich ablenken oder beim Mähen des Rasens im heimischen Garten. Gemeinsam hat sie mit ihrer Lebensgefährtin ein Haus gebaut, ihre kleine Werkstatt, das Büro und Atelier befindet sich gleich davor in einer Art Gartenhäuschen.
Ab 30 Euro kann man silberne Anhänger Lindenbergs erwerben, das teuerste Stück der Künstlerin ist eine Kette mit Korallenperlen für 1750 Euro. „So eine Kette dauert, wie man am Preis sieht.“ Etwa 13 Stunden benötigte sie für die „Schlaue Füchsin“. Doch die meiste Arbeit fließt in die Vorbereitung, das Entwerfen. Viele ihrer Kunstwerke habe sie in enger Absprache mit den späteren Trägern entworfen.
„Es geht nicht darum, mit dem Schmuck zu zeigen, wie reich man ist, sondern welchen symbolischen Hintergrund er hat“, sagt Lindenberg. Frauen, die ihre Ketten tragen, sollten sich selbst wertschätzen. Lindenberg bietet auch Schmiedekurse für Frauen an, die aus alten Ringen oder Silberbesteck etwas Neues fertigen wollen. „Die Schmuckstücke sollen die Persönlichkeit ausdrücken“, sagt Lindenberg. So wie die wilde Sau oder die schlaue Füchsin. Tobias Reichelt
Infos unter www.silverweedfrauenschmuck.de
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