
© Enrico Bellin
Potsdam-Mittelmark: Die Laterne erlischt
Wenn Sonntags die Touristen kommen, müssen Werders Altstadtläden meist geschlossen bleiben. Der Branche entgehen dadurch dringende Einnahmen: Die ersten Händler schließen zum Jahresende
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Werder (Havel) - Die kleine Laterne am Häusereck ist mit das erste, was Touristen sehen, wenn sie über die Brücke auf die Werderaner Insel kommen. Vor den Schaufenstern von „Die Kleine Weltlaterne“ stehen Landkarten, drinnen steht Wein vom Werderaner Wachtelberg oder Sandmännchenfiguren im Regal. Seit 15 Jahren ist der urige Laden eine Landmarke auf der Insel. Zum Jahresende wird er schließen.
„Die Umsätze sind von Jahr zu Jahr zurückgegangen“, sagt Nicole Martin, die den Laden vor zwei Jahren übernommen hat. Aus Altersgründen hatte die Vorbesitzerin das Geschäft mit Spielzeug, Kindebekleidung und Souvenirs aufgegeben. Martin erkannte die gute Lage zwischen Brücke und Marktplatz und wollte die Chance nutzen, das Traditionsgeschäft zu erhalten. Dann kam der lange Winter 2013. Bis in den Mai hinein blieben die Touristen weg. Und trotz des guten Wetters haben Werders Besucher auch in diesem Jahr weniger Geld in der „Weltlaterne“ ausgegeben.
„Wie alle Händler auf der Insel machen wir unser Geschäft vor allem mit den Wochenendtouristen, doch die meisten Läden müssen am Sonntag geschlossen bleiben“, sagt Martin. In den vergangenen Jahren habe die Stadt verstärkt kontrolliert, ob die Geschäfte tatsächlich geschlossen sind. Nur an sechs Sonntagen im Jahr darf geöffnet werden, beispielsweise am 30. November zum Weihnachtsmarkt. Im kommenden Jahr will die Stadt nur fünf verkaufsoffene Sonntage zulassen. Für den Handel auf der Insel ist das schwer zu verkraften, auch das Antik-Geschäft im Schwarzen Haus wird dem Vernehmen nach zum Jahresende schließen.
Dabei könnte die Stadt als anerkannter Erholungsort – anders als beispielsweise Potsdam – eine eigene Regelung erarbeiten, die Geschäften die Möglichkeit gibt, an bis zu 40 Sonntagen im Jahr zu öffnen. „Das Ladenöffnungsgesetz des Landes sieht für Kur- und Erholungsorte eine entsprechende Ausnahme vom Verbot der Sonntagsöffnung vor“, so Christine Minkley, Regionalleiterin des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Von 11 bis 19 Uhr dürften so unter anderem Waren, die für die Region kennzeichnend sind, verkauft werden. Darunter würden auch die Souvenirs von Nicole Martin fallen.
Für Läden, die wie die „Weltlaterne“ auch Spielzeug verkaufen, sieht Minkley neben den Öffnungszeiten ein weiteres Hindernis: den wachsenden Handel im Internet. „Im Weihnachtsgeschäft werden heute 28 Prozent aller Spielzeuge, auch der höherwertigen, über das Internet verkauft“, so die Regionalleiterin. In ganz Brandenburg beobachtet sie ein Sterben der Einzelhändler, in den Innenstädten stehe bereits jedes zehnte Geschäft leer.
Derzeit macht sich Minkley zufolge bemerkbar, dass viele Geschäfte nach der Wende neu gegründet wurden und ihre Besitzer nun nach und nach in den Ruhestand gehen. „Die Besitzer haben es in den vergangenen fünf Jahren oft verpasst, die Nachfolge zu regeln.“
Es gebe jedoch örtlich Initiativen, den Handel in den Innenstädten wiederzubeleben. So würden inzwischen wieder mehr Märkte auf historischen Plätzen stattfinden, wie der Grüne Markt in Frankfurt /Oder. Auch in Werder gab es bereits Initiativen, den Unter den Linden stattfindenden Wochenmarkt auf den Marktplatz der Insel zu holen. „Das würde das gesamte Gebiet beleben und Händlern und Gastronomen mehr Umsatz bringen“, sagt Gabriele Richter vom Gewerbeverein Pro Werder. Der Vorschlag des Vereins wurde jedoch abgelehnt, da es zu wenig Stellplatz für die Fahrzeuge der Markthändler gebe. Überhaupt ist die Zukunft des Wochenmarktes unklar: Der Vertrag der Stadt mit dem Betreiber läuft zum Jahresende aus, über eine Verlängerung ist noch nicht entschieden.
Auch für Nicole Martin wäre ein Markt auf der Insel ein Weg, um mehr Kunden anzulocken. „Um hier Handel zu betreiben, brauchen wir neben besseren Öffnungszeiten mehr regelmäßige Veranstaltungen auf der Insel“, sagt Martin, die vor fünfeinhalb Jahren aus Berlin nach Werder zog. Was aus ihrer kleinen „Weltlaterne“ wird, ist unklar. Anfragen von möglichen Nachmietern gebe es bereits, wahrscheinlich werde eine Modeboutique einziehen.
Für Touristen wird es wohl schwer, sich dann in Werder zurechtzufinden. „Das hier ist ein guter Anlaufpunkt, beim Rundgang um die Insel habe ich sonst nichts gesehen“, sagt etwa Stephen Sexton, Tourist aus Neuseeland, der Postkarten und Stadtpläne kaufte. Die Touristeninformation, die neben der Mühle angesiedelt ist, habe er nicht gefunden. „Da die Information der Stadt versteckt und kaum geöffnet ist, waren wir für Touristen immer der Hauptanlaufpunkt“, so Nicole Martin. Die Touristeninformation des anerkannten Erholungsortes ist in der Wintersaison bis Mitte April nur montags, dienstags und donnerstags zwischen 10 und 14 Uhr geöffnet.
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