Potsdam-Mittelmark: Die Lotsin geht von Bord
Nach 42 Jahren nimmt Karin Höpfner heute Abschied von den früheren Bekina-Werken in Beelitz
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Beelitz - Der Sommer 2004 war alles andere als sonnig für die Angestellten der Bekina-Werke. Nachdem der Mutterkonzern bereits im Vorjahr angekündigt hatte, sich von der traditionsreichen Beelitzer Kindernahrungs-Fabrik trennen zu wollen, stand das Unternehmen vor dem Aus. Und noch während polnische Lkws die Anlagen abtransportierten, suchte man in Beelitz weiter fieberhaft nach einem neuen Investor. „Es war eine schlimme Zeit“, erinnert sich Karin Höpfner, die damals die Verantwortung für den Standort und die Belegschaft übernahm. Bis zum Schluss hätten die Mitarbeiter Qualität geliefert, sagt sie heute.
Eine Chefin muss in solchen Zeiten zweierlei können: motivieren und hart verhandeln. „Wenn ich von 200 Arbeitsplätzen 60 retten kann, dann sollte ich das durchsetzen“, so Höpfner. Der Kampf war erfolgreich. Wenn die Geschäftsführerin heute Abend offiziell verabschiedet wird, dann wird neben allerlei Prominenz aus Politik und Gesellschaft auch der Mann dabei sein, der damals den Rettungsring nach Beelitz warf: Hans Struik hatte die Bekina-Werke in sein niederländisches Familienunternehmen eingegliedert – und hier investiert. Mittlerweile rollen in Beelitz 30 Millionen Konservendosen pro Jahr vom Band, vor allem mit Hühner-, Erbsen- und anderen Suppen. Die Kapazität soll in den kommenden Jahren weiter gesteigert werden. Seit der Übernahme hat Struik zehn Millionen Euro für die Modernisierung ausgegeben. Wohl auch deshalb nimmt sich Höpfner zurück, wenn es um ihren Anteil an der Unternehmensgeschichte geht. „Es ist eine Ehre für mich, dass der Empfang gegeben wird“, sagt sie stattdessen.
Dabei ist ihre Geschichte eng mit dem Standort verbunden. 1969 wurde die damalige Potsdamer Bankangestellte beim „VEB Havelland“ als Leiterin der Rechnungsprüfung eingestellt. Von hier aus wurden damals 70 Prozent des DDR-Bedarfes an Kindernahrung gedeckt. Bis zur Wende hatte Höpfner immer in der zweiten Reihe gestanden – weil sie kein Parteibuch besaß. „Aber ich wusste, was ich kann, und das reichte mir.“
Höpfners Stunde schlug nach 1990, als die Chefetage gehen musste und der Betrieb nach der Privatisierung von Konzern zu Konzern gereicht wurde. Nachdem sich ein Kölner Investor verhoben hatte, übernahm Milupa 1993 das Werk. Es entstand der Name „Bekina“. Auf Milupa folgte der niederländische Konzern Numico, der schließlich 2004 das Handtuch warf. Die eingesetzten Geschäftsführer waren eher selten vor Ort.
Und so musste jemand aus dem Betrieb das Bekina-Schiff durch die Klippen des freien Marktes steuern. Karin Höpfner übernahm das Ruder. Dass Struik sie schließlich auch offiziell als Geschäftsführerin einsetzte, war die naheliegende Konsequenz. Heute hat sie das Gefühl, alles getan zu haben, was ihr möglich war – „für die Mitarbeiter“, wie es auch in einem Schreiben an die Belegschaft heißt.
Obwohl sie noch einige Projekte abarbeiten will, freue sie sich auf den Ruhestand. „Mit 67 als Angestellte in Rente gehen – Frau Merkel wäre froh, wenn das alle so machen würden“, scherzt Karin Höpfner, die sich in Zukunft mehr ihrer Familie widmen will – und dem Klavierspiel, mit dem sie gerade begonnen hat. Einige klassische Stücke könne sie schon, sagt sie.
Auch als Stadtverordnete für das Bürgerbündnis wird Höpfner weiter arbeiten. Seit 1993 sitzt sie im Kommunalparlament, war lange Zeit Vorsitzende im Finanzausschuss. „Ich liebe noch heute Zahlen“, gesteht sie, „weil sich so viel dahinter verbirgt“. Oft sind es auch Menschen, wie sie aus eigener Erfahrung als Unternehmens-Chefin weiß. Thomas Lähns
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