
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Die Oldtimer-Kapitäne von Caputh
Auf den Havelseen kreuzen am Wochenende historische Segler, Dampfer und Yachten
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Schwielowsee – Wenn Dirk Bütow den Motor bei „Antares“ anwirft, gehen Nase und Ohren auf Zeitreise. Denn was da unterm Deck der historischen Holzyacht röhrt, ist ein originaler Wartburg-Motor. Blauer Qualm steigt auf und mit einem leichten Ruck greift der Zweitakter in die Schraube. „In dieser PS-Klasse gibt’s keinen besseren Motor“, sagt der Schwielowseer, während er den Gashebel nach vorne schiebt. Robust, simpel und zuverlässig sind die Prädikate, die ihm dafür einfallen. Das gesamte Boot ist ein DDR-Produkt, 1971 in der VEB Yachtwerft Berlin vom Stapel gelaufen. In Anbetracht des feinen Mahagoni-Holzes, das dafür verwendet wurde, ist das kaum zu glauben. Bütow hat das Boot vor knapp einem Jahr gekauft – und ist seitdem der Star auf dem Schwielowsee.
Oldtimer-Kapitäne gibt es mehr, als man denken mag. Sie kaufen alte Kähne und möbeln sie in mühevoller Feierabend-Arbeit auf oder sie übernehmen gut erhaltene Liebhaberstücke und pflegen sie weiter. Am Wochenende wollen sich erstmals über 30 von ihnen an der Wentorf-Insel zur ersten „Caputher Havel Classics“ treffen. Bei dieser Regatta sind Dampf- und Sportboote, Schlepper und Yachten sowie Segler und Motorschiffe dabei. Das älteste ist ein Fischtransporter von 1901: Die „Lina-Marie“ kommt aus Brandenburg/Havel.
„Vielen der Boote stand noch vor wenigen Jahren das unrühmliche Ende in Form der Abwrackung oder die Weiterverwendung als Kaminholz bevor“, sagt Mitveranstalter Georg Richter. Der Heilbronner kennt sich aus in der Szene: Vereine gebe es immer nur im Hinblick auf bestimmte Bootstypen, sagt er. Ein Treffen aller möglichen Arten sei da etwas Besonderes - vor allem fürs Publikum. Am Freitagvormittag soll eine große Ausfahrt um die Insel Potsdam unternommen werden, am Samstag präsentieren die Oldtimer-Kapitäne ihre Schmuckstücke ab 18 Uhr auf dem Gemünde beim Fährfest – historische Kleidung inklusive.
Georg Richter nennt seit drei Jahren einen sogenannten Backdecker sein Eigen. Das Boot ist 1958 in Wannsee gebaut worden und wurde von ihm von grund auf saniert. „Alte Boote“, sagt er, „sind weniger eine Frage des Geldes, sondern der Zeit.“ Das Besondere an einem Backdecker: Der gesamte vordere Bootsbereich ist überbaut, das Deck am Bug ist also höher. Er habe jahrelang nach diesem Typ gesucht, sagt der Heilbronner. Die Kabine darunter sorgt für einigen Komfort – und den braucht er auch. Im vergangenen Jahr ist Richter 4000 Kilometer von Heidelberg nach Stettin geschippert. Und auch jetzt hat er den Schwielowsee auf dem Wasserweg erreicht.
Um den Fuhrpark für die „Havel-Classics“ zu erweitern, haben die Oldtimer-Freunde um Georg Richter auch einen sogenannten Wellenbinder als Leihgabe bekommen. Das Holz-Motorboot aus dem Jahre 1958 ist nach wie vor in erster Hand. Gebaut wurde es auf der Geltower Seite des Gemündes, im Bootshaus Webert. Auch das ist noch heute im Original erhalten – und nach wie vor in Familienbesitz: Seit 1930 steht der Holzbau hier, heute gibt es hier auch Anlegestege mit insgesamt 40 Liegeplätzen. Wie Chef Steven Karalus verrät, steige die Nachfrage nach Liegeplätzen von Woche zu Woche. Die Havelseen seien bei Wassersportlern mittlerweile fast so gefragt wie der Bodensee. Da wird es immer schwieriger, eigene Akzente zu setzen. Die Oldtimer-Kapitäne bieten einen erfreulichen Kontrast zur „Hebel-auf-den-Tisch-Fraktion“, der es in erster Linie um Geschwindigkeit geht. Thomas Lähns
www.caputher-havel-classics.org
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