Potsdam-Mittelmark: Die Ostsee von Glindow
Wie sich eine zugewachsene Torfwiese als europäisches Naturerbe erwies
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Werder · Glindow - Die alte Torfwiese in Glindow scheint fast vergessen. In früheren Jahren wurde hier gelegentlich Heu gemäht, doch damit ist es längst vorbei. Im Häuserkarree zwischen Dr.-Külz-Straße, Dorfstraße und Bliesendorfer Straße ist auf einer Fläche von etwa 100 Hektar das Schilf hochgeschossen. Wildschweine wildern durch und besuchen schon mal die angrenzenden Gärten. Und die wilden dunkelroten Orchideen, die hier seit den 70er Jahren zu entdecken waren, sind kaum noch zu finden. Jetzt soll das Naturkleinod wieder hergerichtet werden.
Hermann Bobka, einst Bürgermeister von Glindow, hatte rund um die Wiese 1997 durch ABM-Kräfte einen Knüppeldamm errichten lassen, die damals aufgestellten Schilder „Orchideenwiese“ stehen noch – und weisen in dichtes Schilf. Ein- bis zweimal im Jahr müsste hier gemäht werden, meint Bobka, dann könnten die Orchideen wieder wachsen. Angenehmer Nebeneffekt: Die Jagdgenossenschaft, der er vorsitzt, hätte vom Hochsitz aus bessere Sicht auf die Wildschweine, die hier von den Glindower Alpen aus einfallen, und könnte sie im Zaume halten.
Bobka ging also auf „Tippeltappeltour“ – und staunte nicht schlecht, als er offene Türen einrannte. Denn bei der vergessenen Wiese handelt es sich um „Europäisches Naturerbe“ – um eine von 20 sogenannten Binnensalzstellen, die im Land Brandenburg ausgewiesen sind. „Eine biologische und geologische Kostbarkeit“, schwärmt Holger Lengsfeld vom Landesumweltamt, der das Zustandekommen dieser geschützten Biotope so erklärt: In Brandenburg liegen unter mächtigen Hinterlassenschaften der Eiszeit Salzablagerungen des Zechsteinmeers, das vor 250 Millionen Jahren die Oberfläche bedeckte. Tonschichten schützen das Grundwasser vor den Salzen. An den wenigen Stellen, wo es dennoch hervortritt, ist eine einzigartige „Ostsee-Vegetation“ zu entdecken: mit Sumpf-Knabenkraut, Strand-Aster oder Erdbeer-Klee. Schilf und Gehölze verdrängen in Glindow die Salzpflanzen, die Fläche sollten deshalb gelegentlich bewirtschaftet werden. Auch durch sinkende Grundwasserspiegel sind Salzstellen bedroht.
Lengsfeld freute sich, dass die Initiative in diesem Fall nicht von den Behörden, sondern aus dem Ort ergriffen wurde. Die im Mai blühenden Orchideen stellen eine zusätzliche Einzigartigkeit dar. Innerhalb des EU-Projektes „Life Nature“ kann die Mahd der Fläche in Glindow zumindest bis zum Jahr 2009 finanziert werden. Das Landesumweltamt hofft, bis dahin vielleicht einen Pächter zu finden, der gelegentlich mäht.
Hermann Bobka denkt derweil über einen zusätzlichen Nutzwert nach, damit die Pflege zur Not auch künftig finanziell bezuschusst wird. Er plant mit der Grundschule ein „Grünes Klassenzimmer“, sie befindet sich ja auf der anderen Straßenseite – und Schulleiterin Ingrid Neubert ist voll des Lobes für die Idee, die sich gut ins Konzept ihrer „gesunden Schule“ einpassen würde. Selbst das Landesumweltamt findet den Gedanken „spannend“.
Bobka hat schon erste Planungen im Kopf: Bänke, ein Steg in die Feuchtwiese, eine kleine Aussichtsplattform, Schautafeln Die Schulkinder sollen etwas über ihre Heimat lernen, Versuche machen können. Und auch für die Glindower und ihre Gäste gäbe es Schauwert. Bis Mitte November soll das Konzept stehen. Und Bobka ist zuversichtlich, was seine nächste „Tippeltappeltour“ angeht.
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