
© Theo Heimann
Potsdam-Mittelmark: Die Revolution des Postverkehrs
Ein Flugzeug des Konstrukteurs Hans Grade beförderte vor 100 Jahren erstmals Briefe auf dem Luftweg
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Borkheide - Es muss ein großes Spektakel gewesen sein: Am 14. Februar 1912 landete vor der Poststation in Brück ein „Flugapparat“. Der Pilot stieg aus und übergab dem Postbeamten Heuer eine Ladung Briefe – und Hunderte Schaulustige jubelten ihm zu. Der Flieger war etwa fünf Minuten zuvor im Nachbarort Bork gestartet und hatte gerade mal eine Strecke von acht Kilometern zurückgelegt. Aber es war ein historischer Augenblick: Die Zuschauer wurden Zeugen des ersten deutschen Postflugs.
„Fliegende Apparate“ – wie damals die Flugzeuge in Zeitungen betitelt wurden – hatten die Einwohner um Bork schon reichlich gesehen. Denn drei Jahre zuvor hatte sich der Maschinenbauer und Flugpionier Hans Grade in der Waldgemeinde südlich von Berlin, die heute Borkheide heißt, niedergelassen. Er baute Konstruktionsbüros, Werkstätten, eine Fliegerschule sowie Start- und Landeflächen. Vom sogenannten „Marsfeld“ starteten Grade und seine Piloten die Testflüge mit den neuen Modellen, die der Konstrukteur entwickelte.
Dazu gehörte auch der fliegende Postbote namens „Libelle“. Von dem Eindecker aus Stahlrohren, Holz, Bambus und einer Stoffbespannung soll es später 250 Stück gegeben haben, eines davon soll Grade sogar nach Japan verkauft haben.
Auf dem heutigen Borkheider Marktplatz, zwischen Grundschule und Dorfschwimmbad, entstand damals der erste deutsche Motorflugplatz, sagt Burkhard Ballin. Der Chef der Hans-Grade-Gesellschaft war bis zu seiner Pensionierung oberster Bauleiter für die Berliner U-Bahn. Vom Borkheider Flugpionier wusste er bis dahin nichts. Erst mit seinem Umzug hier her kam Ballin nicht umhin, sich mit Hans Grade zu beschäftigen. In dem Ort sind eine Straße, die Schule und ein Denkmal nach Grade benannt. Außerdem gibt es ein Hans-Grade-Museum und das Lokal „Fliegerheim“.
Nach allem, was Ballin über Grade erfahren hat, kann er nun sagen: „Er war ein genialer Erfinder.“ Seine Idee, zwischen der Posthilfsstelle Bork und dem Postamt Brück die erste deutsche Flugpostlinie einzurichten, hatte Grade offenbar weit gestreut. Denn in seiner Ausgabe vom 20. Februar 1912 berichtet der „Brandenburger Anzeiger“: „Die Zeitungen hatten schon vorher aller Welt die sensationelle Neuigkeit gebracht “
In dem Postbeutel, den der Pilot Hermann Pentz mit der 24 PS starken „Libelle“ beförderte, befanden sich den damaligen Zeitungsberichten zufolge Grußschreiben an den Kaiser, den Kronprinzen, den Post- und Verkehrsminister, den Landrat und die Kaiserliche Oberpostdirektion. „Noch nie ist eine so reichhaltige Post von Bork nach Brück befördert worden“, notierte der Reporter der „Braunschweigischen Landeszeitung“ damals. Die Luftfracht hatte Grade mit einem Stempel versehen: „Flugpost Bork und Umgebung durch Gradeflieger“. Auch eine Briefmarke ließ der Unternehmer drucken, allerdings ohne Genehmigung der Kaiserlichen Reichspost, die erst im Juni 1912 die Luftpost als amtlich einführte. Die Briefmarken hat Grade damals gratis verteilt. „Heute ist ein Exemplar um die 1 800 Euro wert“, weiß der Potsdamer Reiner Stimm. Er ist Präsident des Aero-Philatelisten-Club Deutschlands.
Der Verein hat gemeinsam mit der Hans-Grade-Gesellschaft in Erinnerung an den ersten Postflug einen Sonderpoststempel initiiert. Briefe, die mit diesem Aufdruck versehen werden, konnten bis zum 11. Februar auf Postämtern in gesonderte Briefkästen geworfen werden. Am heutigen Samstag werden laut Stimm etwa 700 Sendungen von Berlin nach Frankfurt am Main geflogen, wo sie im Air Mail Center des Flughafens noch einmal gestempelt werden.
Aus der ersten Flugpostlinie vor 100 Jahren ist ein weltweites Netz geworden. „300 Ziele werden von uns aus angeflogen“, sagt Barbara Hilker, Sprecherin des Air Mail Centers, wo täglich 400 Tonnen internationale Luftpost umgeschlagen werden.
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