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Frost bereitet Bauern aus Werder (Havel) Sorgen: Die schlechten Launen der Natur
Nachtfrost, Graupel, Wind: In der Region ist es derzeit etwas ungemütlich. Den Obstbauern rund um Werder könnte das erhebliche Ernteeinbußen bescheren.
- Enrico Bellin
- Stefan Jacobs
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Werder (Havel) - Nach drei Wochen Frühling kommt nun der Winter zurück. Während die Temperaturen am vergangenen Samstag noch harmlos bleiben, sind für die kommenden Nächte Fröste mit bis zu drei Grad unter Null angesagt. Was für Hobby-Gärtner lästig ist, kann für die Obstbauern der Werderaner Region heftige Ertragseinbußen bedeuten. „Die Blütezeit ist die kritischste Zeit“, sagt Stefan Lindicke, Obstbauer und Vorsitzender des Werderaner Obst- und Gartenbauverbandes, den PNN.
In bestimmten Phasen würden Blüten keinen Frost mehr vertragen und absterben. Die Höhe des Schadens könne man jetzt aber noch nicht abschätzen. Zwar waren auch die vergangenen Nächte recht kalt. Lindicke zufolge hatte das aber kaum Auswirkungen, da die Sonne tagsüber Boden und Bäume erwärmte und die Wärme in der Nacht dann wieder abgestrahlt werden konnte.
Alles sei möglich, sagt Dennis Brüning vom Wetterdienst Meteogroup und warnt: „In der Nacht zu Montag gibt’s auf jeden Fall Bodenfrost, vermutlich auch Luftfrost.“ Um minus drei Grad können es Montagfrüh am Boden werden.
Frost bringt Probleme
Das könnte zumindest für Pflaumen und frühe Süßkirschen, die derzeit in voller Blüte stehen, problematisch werden. „Offene Blüten nehmen ab zwei Grad Minus Schaden, Blüten im Ballonstadium sogar ab -0,5 Grad“, so Lindicke. Als Ballonstadium wird die Phase kurz vor dem Öffnen der Blüte bezeichnet. Jedoch blühen an Bäumen nicht alle Blüten gleichzeitig, an jungen Ästen blühen sie bis zu eine Woche früher. Das macht den möglichen Ernteausfall noch schwerer zu beziffern.
Auch die einzelnen Lagen sind unterschiedlich betroffen: Trotz der Temperaturen könnten Blüten an in Senken stehenden Bäumen die Nächte schadlos überstehen, während nur wenige Meter weiter die Blüte kaputtgeht. Eine zweite entwickeln Obstbäume nicht – wo im Frühjahr nichts blüht, kann im Herbst nichts geerntet werden.
Obstsorten sind empfindlicher
Laut Manfred Lindicke, Vater von Stefan und Winzer sowie Obstbauberater, hat sich die Obstbaumblüte durch den Klimawandel in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter nach vorn verlagert. Kirschen blühen fast zwei Wochen früher als noch Ende des 19. Jahrhunderts – mit entsprechenden Gefahren bei Frosteinbruch. „Zudem sind die Obstsorten weiter entwickelt und ihre Empfindlichkeit ist größer.“
Die Nacht zum Montag wird vielleicht die kälteste, aber nicht die einzige Frostnacht, denn auch die Folgetage bleiben ungewöhnlich kalt: Nachts um null Grad, tags allerhöchstens zehn – und damit laut Dennis Brüning rund fünf Grad kälter als sonst um diese Jahreszeit üblich. Hinzu komme teils kräftiger Wind. Das könnte dann auch den Apfelbäumen, die derzeit noch knospen, zu schaffen machen.
Nicht jeder Betrieb kann sich gegen den Frost wappnen
Für seine Äpfel hat Stefan Lindicke eine Frostschutzberegnung angeschafft, auch die oberen Äste können so bewässert werden. Das Prinzip beruht darauf, dass Wasser beim Gefrieren Wärme abgibt. Die blühenden Bäume werden von einer Eisschicht überzogen, unter der es kaum kälter wird als null Grad. Jedoch könne sich nicht jeder Betrieb solche Anlagen leisten, so Stefan Lindicke. „Um genügend Wasserdruck aufbauen zu können, braucht man vor Ort Vorhaltebecken.“
Zwar gebe es Landesförderprogramme, die seien aber eher auf größere Betriebe zugeschnitten. Außerdem müsse das Wasser auch nachts fließen können, aus Angst vor Gefrierschäden in den Rohren würden einige Betriebe aber bei zu starkem Frost die Bewässerung abschalten.
Tipps für Hobby-Gärtner
Hobby-Gärtner, die Balkon oder Terrasse bewirtschaften, haben es da deutlich einfacher. „Die neuen Pflänzchen sollten mit Vlies oder Gemüsehauben abgedeckt werden“, rät Sven Wachtmann, Vorstand im Berliner Landesverband der Gartenfreunde. Balkongärtner sollten die Kästen mit Geranien möglichst nahe an die Hauswand stellen – innerorts, wo viele Wände Wärme speichern und der Wind kaum abkühlen kann, dürften sie allgemein kein großes Problem bekommen. Primeln und Rasensaat sowie Oleander und Olivenbäume vertragen ohnehin leichten Frost. Weitere Tipps für Hobby-Gärtner: Boden mit wenig Bewuchs spendet Bäumen nachts mehr Wärme als üppig bewachsener, Wässern vor der Nacht schaffe einen Speicher für das vielleicht entscheidende Quäntchen Wärme, weil selbst kaltes Leitungswasser zwölf Grad warm ist.
Wann sich das Wetter wieder deutlich bessert, ist nach Auskunft von Dennis Brüning nicht absehbar: Es wird wohl bis in den Mai hinein ungemütlich bleiben. Aber zum nächsten Wochenende – dem Beginn des Werderaner Baumblütenfestes – sind zunächst wieder 13 bis 14 Grad möglich. Damit wäre es dann so warm wie Weihnachten 2015. (mit Henry Klix)
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