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Müllskandal: Die schmutzige Agenda des Müllbarons
Bernd R. wollte seinen Unrat noch an fünf weiteren Orten verkippen. Der Skandal wird jetzt aufgearbeitet.
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Potsdam-Mittelmark - Benken, Medewitz, Neuehütten, Wusterwitz: Der Müllbaron hatte noch einige Altdeponien im Landkreis auf der Agenda, die er mit angekauftem Unrat illegal befüllen wollte. Das hat das Landratsamt jetzt in einer Stellungnahme durchblicken lassen. Demnach habe der mittlerweile verurteilte Recyclingunternehmer Bernd R. für fünf weitere einstige DDR-Kippen im Süden und Westen der Mittelmark Planungen erarbeiten lassen. Allerdings hätten diese den wissenschaftlich-technischen Anforderungen nicht entsprochen. Die Gemeinden hatten Nachforderungen gestellt, woraufhin R. seine Angebote zurückzog.
Es sei nur der Umsicht der kommunalen Mitarbeiter zu verdanken, dass Schlimmeres verhindert wurde, heißt es in dem Schreiben, welches die Kreistagsabgeordnete Astrid Rabinowitsch (Linke) von der Verwaltung in Bad Belzig angefordert hatte. Die Linken hatten sich schon vor Wochen für eine Aufarbeitung des Müllskandals ausgesprochen.
Wie berichtet, hatte Bernd R. zwischen 2004 und 2008 auf sechs Altdeponien und in einem Kiestagebau im Landkreis 144 000 Tonnen Siedlungs- und Gewerbeabfälle verklappt. Eigentlich hatte er von den Kommunen den Auftrag, die DDR-Kippen zu renaturieren und mit Bauschutt zu versiegeln. Bernd R. wollte das kostenlos erledigen, weshalb ihn der Landkreis den Gemeinden empfohlen hatte. Vorher brachte er jedoch zugekauften Unrat unter und machte so Millionengewinne. Das Landgericht Potsdam hat ihn erst Ende Januar zu über vier Jahren Haft verurteilt. R. ist mittlerweile in Revision gegangen.
Eine der drängendsten Fragen: Wie konnte das Treiben so lange unbemerkt bleiben? Das Landratsamt Potsdam-Mittelmark, das für die Kontrolle zuständig war, habe es ihrem Mandanten leicht gemacht, hatte R.’s Verteidigerin Heide Sandkuhl während des Prozesses erklärt. Dass es Hinweise gab, räumt nun auch das Landratsamt in seiner aktuellen Stellungnahme ein: Im Frühjahr 2006 hatte der Bürgermeister von Mörz, einem der betroffenen Orte, beim zuständigen Fachdienst des Kreises angefragt, ob es rechtens sei, dass Fahrzeuge nachts auf der Deponie unterwegs sind. Und Ende November 2006 wandte sich ein Bürger aus Zitz an den Kreis, weil er vor der dortigen Altdeponie nachts einen Lkw mit stinkender Fracht bemerkte.
Beiden Fällen sei man sofort nachgegangen, notiert die Leiterin des neuen Fachdienstes Wasser/Abfall/Boden Birgit Kusza. In Mörz habe man Grabungen unternommen, die jedoch keine illegalen Abfälle zutage gefördert hätten. Und in Zitz wurde eine Bauberatung einberufen, auf der R. aber erklärt habe, dass es sich bei dem Laster nur um eine Probelieferung handele, so das rückblickende Statement der Verwaltung. Der Recyclingunternehmer habe versichert, dass auch er das Material als ungeeignet befunden und abgewiesen habe. Nachweise über die erfolgte Entsorgung habe er erbracht, die Gemeinde Zitz als Deponieeigner habe man auf ihre Aufsichtspflicht hingewiesen.
Auch später, im August 2007, wurde nur an der Oberfläche gekratzt: In Schlamau wollte R. Baustoffe verwenden, die dem Landkreis verdächtig vorkamen. Er hatte sie ohne Freigabe und innerhalb von nur einer Stunde auf die dortige Deponie aufgebracht, deshalb seien Proben aus einem Meter Tiefe genommen worden. Ein weiteres Graben wäre verwaltungsrechtlich nicht zu begründen gewesen, heißt es. Heute ist klar: R. hatte die Abfälle in Tiefen von bis zu zehn Metern verscharren lassen und nach dem Sandwich-Prinzip immer mit Erdschichten durchsetzt.
Erst die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte dem Treiben mit ihren Ermittlungen 2008 ein Ende gesetzt. Ein „mögliches Fehlverhalten der mit der Bearbeitung beauftragten Mitarbeiter“ des Kreises könne nicht bestätigt werden, heißt es in der von Landrat Wolfgang Blasig (SPD) unterzeichneten Stellungnahme der Kreisverwaltung. An sämtlichen sieben Tatorten seien mittlerweile umfangreiche Untersuchungen vorgenommen worden. Zwar bestehe die Gefahr, dass Schadstoffe durch Niederschlag ins Grundwasser gelangen könnten, bislang würden die Grenzwerte aber nicht überschritten. Und auch das sich aus dem organischen Müll entwickelnde Methangas würde derzeit nur den angrenzenden Bewuchs schädigen.
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