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KulTOUR: Die schwebende Tasche der Kanzlerin

Stoffe, Garn und Overlocker: Ein Besuch im Textilkreativhof Viefhues in Sputendorf

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Stahnsdorf - „Angela Merkel wird doch noch zum Trendsetter!“, uzte Werner Viefhues angesichts eines Pressefotos, welches die Fliederfarbene kurz vor den Bayreuther Festspielen 2007 an der Seite ihres Mannes zeigte. Aber nicht der maßgeschneiderte Zweiteiler erregte die Medienwelt, sondern jenes sonderbare Ding an ihrer Linken, ein Damentäschchen ohne Trageriemen, ohne erkennbaren Halt, als ob es schwebte. Die Eitelkeit der Welt beschäftigte sich mit diesem Ding natürlich mehr als mit Merkels politischem Amt.

Da es nun in der Mode-Branche zwar einen Namens- nicht aber einen Produktschutz gibt, dachte das Sputendorfer Ehepaar Sonja und Werner Viefhues darüber nach, wie dieses „Schwebende“ gebaut sein könnte. Sie fanden eine Lösung. Fortan kann sich die überwiegend weibliche Kundschaft bei ihnen auch so eine Armtasche („Clutch-Bag“) bestellen, wie Angela Merkel sie trägt.

Eine hübsche Geschichte, genau richtig für den längst geplanten Atelier-Besuch im Hause Viefhues. Hier verbirgt sich so einiges: historisch gesehen ein hübsch saniertes Gutshaus anno 1880 mit weitem Garten und Nebengelass, technisch ein moderner Schneiderbetrieb mit angeschlossenem Hofladen, worin der Herr des Hauses exklusiv Präzisionsnähmaschinen aus der Schweiz verkauft, ästhetisch ein „Textilkreativhof“: Anfänger und Fortgeschrittene können hier nach Lust und Laune ihre eigene Mode entwerfen und ausführen, die von Sonja Viefhues gearbeiteten Unikate kaufen, das Selbstgeschneiderte auch mit neuester Technik ändern, verschönern, bearbeiten, und natürlich auch sofort tragen.

Ob mit oder ohne Bernina-Technik, kein Stoff, der nicht verfügbar wäre: Seiden und Leinen, Baum- und Schurwolle aus aller Welt, sogar Ramie, Hanf und Bambus. Im Beratungsraum die passenden Garne, ganze Batterien in allen Farben warten hier auf Kundinnen. Wieso Kundinnen? Jeder kann kommen, zwischen Kindergarten und Nobelmeile ist immer etwas für sich und den Nächsten zu tun. Noch rasch eine schicke Sommerhose gefällig, ein extraordinäres Wickelkleid, eine Walklodenjacke für den Winter, ein Accessoire? „Manche können entwerfen, andere nur schneidern, meine Frau kann das alles“, berichtet der Nähmaschinen-Mann voller Stolz.

Sie ist gelernte Damenmaßschneiderin und Textilingenieurin, nennt sich aber lieber „Textilkreateurin“. Seit zwanzig Jahren arbeitet sie mit den Schweizern, neuerdings sogar computergestützt. Ein komplettes Atelier also, zu dem Design und Maßschnitte, Stoffmalerei und Geschenkideen genauso gehören wie Workshops, Nähschule oder auch nur Beratung.

Das aus Nordrhein-Westfalen stammende Ehepaar („fühlen uns als Brandenburger“) hat sich neben den Dorfteichen so hübsch wie denkmalgerecht eingerichtet, Gastfreundschaft gehört nicht nur zur Verkaufsidee, und bei gutem Wetter kann man auch in einer der vielen Sitzecken draußen knobeln und werkeln. Mit zehn Kilometern von Berlin genauso weit wie von Potsdam entfernt, erlebt man den Haus-Slogan „Textilkultur in der Natur“ pur.

Jeder kommt zu seinem Recht, wenn es darum geht, die Overlocker-Maschine auszuprobieren, welche die Ärmel innen elastisch abschließt, oder den Rand. Desgleichen das Punching für „den letzten Pfiff“: farbiges Merinovlies wird auf Stoff aufgefilzt, „sehr einfach und macht doch viel Spaß“. Auch eine Bundeskanzlerin würde hier ihre Freude finden, schließlich machen auch heute erst Kleider die Leute.

Tag des Offenen Hofes am 9. September in Sputendorf, Wilhelm-Pieck-Straße 27

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